Viele Menschen leiden unter chronischen Erkrankungen, wie das diabetische Fußsyndrom oder dem sogenannten Wundliegen. Ein großer Teil dieser Menschen konnte bisher nicht effizient behandelt werden. Das Start-up COLDPLASMATECH hat in dieser Hinsicht, mit ihrer ungewöhnlichen, aus dem Sci-Fi-Universum stammenden Technologie, die Medizin- und Pharmaziebranche revolutioniert. Der Geschäftsführer und Gründer Dr. Carsten C. Mahrenholz erzählt uns im Interview, was genau die Vision von COLDPLASMATECH ist und hält einige Tipps für angehende Start-up-Gründer in der MedTech-Branche bereit.
Herr Mahrenholz, was ist COLDPLASMATECH und was war die Initialzündung für eure Gründung?
Unser Produkt entstand aus einer eher unkonventionellen Idee heraus. Zur Vorlage nahmen wir uns den Dermalregenerator von Raumschiff Enterprise. Aus diesem Vorbild entstanden unsere bioaktiven Plasma-Wundauflagen. Dafür benötigten wir den vierten Aggregatszustand Plasma. Dieser Zustand entsteht, wenn Gas Energie zugeführt wird. Der Clou bei der Erfindung der Wundauflagen war es das Gas kalt zu zünden, damit die gewünschte bioaktive Wirkung hervorgerufen wird. Wichtig war uns dabei, dass die Wundauflagen nicht nur in zwei Minuten angewendet werden und mit einer Ein-Knopf-Bedienung gesteuert werden kann, sondern auf die Bedürfnisse der Anwender:innen (Ärzte/Ärztinnen und Pflegepersonal) abgestimmt sind.
Die Initialzündung, hinter unserem Tun, ist „das Unmögliche möglich zu machen“. Die Technologie des Plasmas und vor allem des kalten Plasmas war zwar vorhanden aber konnte sich noch nicht auf dem Medizintechnik- Markt etablieren. Während sich vorherige Forschungen auf die Technologie und Erforschung des Plasmas beschränkt haben, haben wir uns auf die Anwendung fixiert.
Was ist die Vision von euch und welchen konkreten Nutzen wollt ihr mit euren Wundauflagen stiften?
„Wir wollen das Problem Chronische Wunde lösen.“
Mit unseren Wundauflagen wollen wir nicht nur den Patient:innen helfen, sondern auch das gesamte Gesundheitssystem entlasten. Während wir chronisch kranken Menschen helfen, beziehungsweise ihre Schmerzen lindern, lösen wir ein großes ökonomisches Problem. Rund 6 Milliarden Euro werden jährlich, in Deutschland, für Behandlungen ausgegeben. Mit unseren Cold-Plasma Wundauflagen können wir diese Kosten und die damit verbundene finanzielle Belastung nachhaltig senken.
Unsere Wundauflagen können aber auch medizinische Probleme lösen; zum Beispiel das der Heilung chronischer Wunden und die Abtötung von multiresistenten Keimen. Für die Patienten bedeutet dies, dass das bioaktive Plasma gezielt auf die Zellen und Bakterien wirkt. Während die Bakterien in großen Mengen abgetötet werden, werden von den behandelten Zellen bestimmte Botenstoffe ausgesendet, die die Wundheilung begünstigen.
Mit welchem Geschäftsmodell möchtet ihr Geld verdienen beziehungsweise wie soll die Refinanzierung aussehen?
Als Start-up finanzieren wir uns zunächst durch Investoren. Begonnen hat aber alles durch einen Forschungstransfer vom Bundeswirtschaftsministerium und der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Mittlerweile können wir uns immer mehr von den Investorengeldern distanzieren, da unser Produkt vollständig am Markt etabliert ist und Behandlungen am Patienten durchgeführt werden.
Krankenhäuser und Ärzte/Ärztinnen können für die Behandlung sogenannte Cubes (Spannungsversorgung zu unseren Wundauflagen) kostenfrei nutzen. Die Plasma-Patches selber kann jede:r Patient:in, auf Rezept eines Arztes/ einer Ärztin, in jeder Apotheke oder im Sani-Handel kaufen.
Wie weit seid ihr mit der Entwicklung und was waren, beziehungsweise sind die großen Herausforderungen?
Die wesentliche Entwicklung unserer Wundauflagen ist abgeschlossen, dennoch muss gesagt werden, dass eine Entwicklung ein kontinuierlicher Prozess ist. Die Weiterentwicklung und stetige Verbesserung unseres Produktes wird immer der Fokus unserer Arbeit bleiben. Zwischenzeitlich steht die Einführung unserer zweiten Serie der Plasma-Patches bevor und soll, als überholte und verbesserte Technologie, die bisherigen Wundauflagen ablösen.
In der Forschungs- und Entwicklungsphase sind wir immer wieder auf Probleme gestoßen. Dies hat aber nicht unbedingt nachgelassen. Immer wieder treten Probleme auf, um die wir uns kümmern müssen.
Eine der aktuellsten Hürden war die medical device regulation (MDR) der EU, die das gesamte Zulassungssystem der Medizin grundlegend erschüttert hat. Während viele Unternehmen an diesem System gescheitert sind und rund 30 Prozent der Benannten Stellen schließen mussten, konnten wir uns eine Zulassung erarbeiten.
Aber schon am Anfang unserer Unternehmung sind wir auf große Herausforderungen gestoßen. Der Schritt, etwas komplett Neues zu entwickeln war nicht immer einfach. Mit der Forschung und Entwicklung waren wir oft auf uns alleine gestellt, da wir immer wieder zu hören bekamen, dass unsere Vision nie funktionieren könne. Aber auch technologisch hat nicht immer alles Einwandfrei funktioniert. Die Entwicklung unserer Wundauflagen bis hin zu einem Produkt, welches von Serienmaschinen gefertigt werden kann, war ein langer und steiniger Weg. Aber letztendlich erfolgreich – und darauf kommt es an.
Unternehmertum erfordert anderes Wissen als medizinisches Know-how. Welche persönliche Einstellung, Skills und Kompetenzen haben Sie und ihre Co-Gründer mitgebracht, um als Unternehmer in der Medizinbranche durchzustarten?
Nachdem ich Biologie studiert, in Chemie promoviert und ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen habe, waren meinen Tätigkeiten immer an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Zu meinen Zeiten als Geschäftsführer eines Technologieunternehmens, begann ich eine Arbeitsgruppe zum Thema Plasmaphysik zu leiten. Dennoch reicht ein wissenschaftlicher Hintergrund nicht aus. Eigenschaften wie Resilienz, Neugier, Mut, Problemlösung und das Verständnis von komplexen Zusammenhängen waren erforderlich, um ein guter Unternehmer zu werden. Aber auch medizinisches Fachwissen war nötig. Dieses wurde von Tobias Güra, Medizinökonom, Mitgründer und erstes Mitglied der Arbeitsgruppe, eingebracht. Meine Ausbildung und Tätigkeiten als Rettungssanitäter haben mir den Blickwinkel auf die medizinischen und pharmazeutischen Prozesse unseres Produktes erleichtert.
Zusätzlich war es wichtig mit Fachleuten zu korrespondieren. Ich habe mit vielen Ärzt:innen, Kliniken und Krankenkassen gesprochen und musste viel Kritik einstecken, dennoch mussten wir diese Kritik annehmen und für eine bedürfnisgerechte Entwicklung verwenden. Wesentlich war dabei eine disruptive Lösung zu erbauen und zu unterscheiden: Was sagen dir die Leute, was sie nur glauben, was gebraucht wird; was wirklich gebraucht wird; und was die neuen Faktoren sind, die dir niemand verrät, weil sie niemand weiß.
Zu guter Letzt: Welche Tipps könnt ihr angehenden Gründer:innen innerhalb der MedTech-Branche geben?
Wichtig ist es Fragen zu stellen, sich nicht zu scheuen mit Leuten zu kommunizieren und fremde Meinung einzuholen. Auch die Eigenschaft unkonventionell zu sein und seinen eigenen Weg zu finden, kann zu einem erfolgreichen Start-up verhelfen. Zusätzlich sollte jedem bewusst sein: „Kritik hilft mehr als Lob“. Leute die einen kritisieren helfen einem sich zu verbessern, Leute die dich loben halten dich auf demselben Niveau. Außerdem empfehle ich einen Businessplan auszuarbeiten und an sogenannten Businessplan-Wettbewerben teilzunehmen. Denn nur wer sich in einem Wettbewerb durchsetzt, weiß, ob er sich auf den richtigen Weg begibt. Abschließend ist zu sagen: Der wichtigste Punkt ist bedürfnisorientiert zu Arbeiten und nicht nur das zu machen, was den eigenen beschränkten Geist erfreut.
Carsten C. Mahrenholz studierte Biologie und schloss seine Studien an den Universitäten in Berlin und Cambridge mit einer Promotion in Chemie und einem Master of Business Administration ab. Nach seiner Tätigkeit als Berater für KMUs und wissenschaftliche Einrichtungen übernahm er die Leitung eines High-Tech-Transferunternehmens. Als Mitbegründer der COLDPLASMATECH GmbH im Jahr 2016 stieg er gemeinsam mit seinem Team zu einem Pionier der Plasmamedizin auf – einer Technologie, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt und unter anderem mit dem Deutschen Innovationspreis 2018 gewürdigt wurde.
Telefonisches Interview von Lisa Sophia Albrecht
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