Rheumatologie wird häufig nur mit der Erkrankung alter Leute gleichgesetzt – doch dieser Eindruck trügt. Im Gespräch erklärt Dr. med. Silke Zinke vom Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh), was die Weiterbildung in diesem Fachbereich besonders spannend macht und welche Vorteile er bietet.
Für junge Mediziner ist die Frage der richtigen Weiterbildung entscheidend für die weitere Karriere. Was spricht Ihrer Meinung nach besonders für die Rheumatologie?
Die Rheumatologie ist eine spannende und wenig invasive Fachrichtung, die neben einer breiten Kenntnis der Inneren Medizin eine enge Kooperation mit anderen Fachrichtungen beinhaltet, insbesondere Orthopädie, Neurologie, Pädiatrie, Dermatologie, Physikalische Medizin, Radiologie, Immunologie und Labormedizin. Die heutigen Möglichkeiten der Diagnosestellung und Therapie sind geradezu atemberaubend, was sich in einer hohen Zufriedenheit der Patienten und nicht zuletzt auch des Rheumatologen niederschlägt. Der Rheumatologe wird dabei nicht vom technischen Fortschritt verdrängt, denn die Anamnese und klinische Untersuchung nehmen, wie in kaum einem anderen Fachgebiet, weiterhin einen zentralen Stellenwert ein.
Welche persönlichen Kompetenzen sollte man ergänzend zur fachlichen Expertise haben, wenn man Rheumatologe werden will?
Gründliches, beinahe detektivisches Vorgehen, geduldig zuhören und hinterfragen können, dem Patienten immer zugewandt sein. Außerdem sollte man interdisziplinär denken, kommunizieren und behandeln können.
Können angehende Rheumatologen in den nächsten Jahren mit guten Jobaussichten rechnen?
Der Nachwuchsbedarf ist sehr groß, es gibt weniger Konkurrenz als vielmehr Zusammenarbeit zwischen Rheumatologen. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern. Laut der Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes sind zirka ein Drittel der niedergelassen rheumatologisch tätigen Ärzte 60 Jahre oder älter. Es ist also in den kommenden Jahren mit einem großen Bedarf junger Rheumatologen als Nachfolger in Praxen und Kliniken zu rechnen.
Was kennzeichnet eine gute Weiterbildung im Bereich der Rheumatologie?
Für eine Rundumausbildung ist es wichtig, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich Erfahrungen zu sammeln. Es sollten Möglichkeiten zur Bildgebung (Ultraschall, Röntgen, MRT) sowie auch idealerweise zur Labordiagnostik (Autoantikörperbestimmung) vorhanden sein. Zudem sollten interne und externe Weiterbildungsmöglichkeiten bestehen (regelmäßige Kongressteilnahmen, Teilnahme an fachspezifischen Kursen etc.).
Wo verzeichnet die Rheumatologie die größten medizinischen Fortschritte und Erkenntnisse?
Die Rheumatologie hat riesige Fortschritte gemacht, wozu nicht nur die großen Zentren, sondern oft auch kleine Praxen beigetragen haben. Denn hier fand und findet weiterhin ein großer Teil der klinischen Forschung wie zum Beispiel die Teilnahme an Registern statt. Die Rheumatologie hat vor allem Pionierarbeit im Bereich der neuen Biologikatherapien geleistet, wovon so manche andere Fachrichtung gelernt und diese Therapieansätze zum Teil übernommen hat.
Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Karriere und Familie aus?
Wie in jeder anderen Disziplin in der Medizin ist Work-Life-Balance ein wichtiges Thema. Erfreulicherweise kann man in der Rheumatologie, auch in spezialisierten Zentren, seine klinische Tätigkeit einschließlich Diensten so gestalten, dass die Work-Life-Balance im positiven Sinne berücksichtigt wird. Als in der Praxis überwiegend ambulantes Fach lassen sich individuelle Arbeitszeitregelungen sehr gut verwirklichen, sodass die Rheumatologie auch in Teilzeit zu betreiben und damit sehr familienfreundlich ist.
Ist die Rheumatologie mit einer hohen Arbeitsbelastung verbunden?
Da die Rheumatologie in der Regel wenig invasiv ist und bei rechtzeitigem und vorausschauendem Agieren auch selten kritische Akutsituationen auftreten, kann die Rheumatologie als ein relativ stressarmes Fachgebiet angesehen werden. Zwar besteht aufgrund von hohem Nachfragedruck für ambulante Facharzttermine beim Rheumatologen unter Umständen ein hohes Arbeitsaufkommen, dies aber zumeist im Sinne von positivem Stress.
Gibt es Spezialisierungen innerhalb Ihres Fachgebiets, die Sie besonders spannend finden?
Die Rheumatologie behandelt mehr als 200 verschiedene Erkrankungen, sodass jeder für sich ein Interessensgebiet und eine Spezialisierung finden kann. Das reicht von einer Vielzahl entzündlicher Systemerkrankungen über muskuloskelettale Erkrankungen bis zu Schmerzsyndromen. Der vielleicht interessanteste Bereich ist die Differentialdiagnose von entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen mit teilweise sehr seltenen und hochinteressanten Krankheitsbildern.
Woran wird momentan besonders stark geforscht?
Trotz aller Fortschritte gibt es weiterhin große Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Kollagenosen und Vaskulitiden. Obwohl hier die Diagnosestellung inzwischen auch in frühen Krankheitsstadien erfolgen kann, fehlen weiterhin ausreichend effektive und zuverlässig wirkende Therapieansätze mit möglichst geringem Nebenwirkungsprofil.
Gibt es Vorurteile gegenüber Ihrem Fachgebiet, mit denen Sie gerne einmal aufräumen würden?
Die Rheumatologie wird oft als eine Erkrankung der alten Leute betrachtet, wobei damit meistens abgenutzte Gelenke in Zusammenhang gebracht werden. Dies ist aber nur ein kleiner Aspekt, denn die Rheumatologie überspannt alle Lebensdekaden und beinhaltet viele spannende Diagnosen, bei denen sich selbst „Dr. House“ sehr oft schwer tun würde. Gelegentlich wird die Rheumatologie als sehr kopflastig betrachtet, auch wenn dem nicht so ist, denn der Rheumatologe sollte eine ganze Reihe von Untersuchungstechniken beherrschen können.
Welche Nachwuchsförderungen bieten Sie und Ihre Gesellschaft an?
Ein Mentoringprogramm mit regelmäßigen Treffen wird über die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) insbesondere auf den jährlichen Kongressen angeboten. Die jungen Rheumatologen sind untereinander sehr gut verletzt (Rheumadocs) und ein fester Bestandteil der Community. Wir im BDRh initiieren gerade ein Famulaturprogramm in Praxen, um junge Menschen, insbesondere Studierende für dieses großartige Fach zu interessieren und zu begeistern.
Dr. med. Silke Zinke ist Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie. Nach dem Medizinstudium an der Humboldt-Universität/Charité Berlin war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Charité und ist heute niedergelassene Ärztin in einer rheumatologischen Schwerpunktpraxis mit Studientätigkeit. Darüber hinaus ist sie 1. Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh).
Autorenbild: © BDRh
Beitragsfoto: Unsplash/SpiritBunny
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