Der Gebrauch mobiler Endgeräte (Smartphones, Tablets) für Banküberweisungen von zu Hause oder zum Versenden von Bildern ist für uns seit langem selbstverständlich.
Der Wandel durch die Digitalisierung betrifft aber auch die Medizin. Wieso soll also nicht auch ein Arztbesuch möglich sein, ohne den/die Arzt/Ärztin wirklich zu besuchen?
Einen wesentlichen Teil der Digitalisierung im Bereich Medizin macht die Telemedizin aus.
Die bekannteste telemedizinische Behandlung ist die telefonische Beratung. Seit einigen Jahren wird die Video-Sprechstunde vermehrt in der Telemedizin eingesetzt. Bei der Telemedizin kann der/die Patient:in mit dem/der Arzt/Ärztin vor allem räumlich getrennt in Kontakt treten, teils jedoch kann auch eine zeitliche Distanz zwischen Patient:innen und Mediziner:innen überbrückt werden.
Und was passiert, wenn sowohl Ort als auch Zeitpunkt bei der Kommunikation differieren?
Die Dermatologie eignet sich als visuelles Fach besonders für eine Ferndiagnose: häufig genügt schon ein Blick vom Arzt, um eine Diagnose stellen zu können. Dies ist möglich, indem der/die Arzt/Ärztin sich Fotos von der Hautveränderung des Patienten anschaut, ohne diesen dafür live vor Ort zu sehen. Somit kann die Kommunikation komplett asynchron stattfinden.
Eine Diagnose mittels Foto? Das klingt fast schon zu einfach.
Bereits 2009 konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass drei Fotos und ein validierter medizinischer Fragebogen in 90 Prozent aller Fälle für eine Diagnose ausreichen. Eine Videosprechstunde zur Diagnosefindung hingegen hat den Nachteil, dass die Auflösung der Kamera nicht ausreichend ist. Außerdem ist der/die Patient:in oft aus Scham nicht bereit, alle Körperteile vor der Kamera zu entblößen, sollte es sich um eine Hautveränderung in einem sensiblen Bereich, wie dem Intimbereich, handeln.
Der so benannten Teledermatologie liegt hauptsächlich das Bild-Text-Verfahren (Store-and-Forward) zu Grunde. Das heißt der/die Patient:in kann Fotos aufnehmen, die zu einem beliebigen Zeitpunkt an den/die Arzt/Ärztin gesendet werden. Die vom Patienten eingesandten Bilder – über eine App oder Web App – können zeitversetzt vom Arzt begutachtet werden. Der/Die behandelnde Arzt/Ärztin wertet die erhaltenen Informationen aus, stellt eine Diagnose und bietet dem/der Patienten/Patientin einen Therapieplan an.
Wer wird digitale:r Hautarzt/Hautärztin?
Die Teledermatologie bietet für den/die Patienten/Patientin einen großen Mehrwert dadurch, dass dieser die Behandlungsmöglichkeit aufgrund zeitlicher und örtlicher Flexibilität zu jeder Zeit in Anspruch nehmen kann. Doch es stellt sich die Frage: Kann jede:r Hautarzt/Hautärztin eine auf einem Foto abgebildete Hautveränderung diagnostizieren oder bedarf es einer besonderen Qualifikation?
Ähnlich wie bei einer Spezialisierung auf eine bestimmte OP-Technik ist auch die Teledermatologie eine besondere Form der Diagnostik. Ärzt:innen benötigen hier spezielle Schulungen und qualitative Fortbildungsmethoden mit einer fundierten Ausbildung für digitale Technologien.
Ein:e Teledermatologieexpert:in konvertiert in seinem/ihrem Kopf das 2D- in ein 3D- Bild. In der 2D-Befundung sind Hautärzt:innen ohne telemedizinische Erfahrungen weniger sicher in der digitalen Diagnosestellung. Dr. med. Estefanía Lang, Dermatologin und medizinische Leitung im Bereich Teledermatologie hat tausende Patient:innen telemedizinisch behandelt und kennt die Herausforderungen einer guten Behandlungsqualität. Mittlerweile schult sie Hautärzt:innen in der Befundung und veröffentlicht in Fachzeitschriften die wichtigsten Erkenntnisse.
Hautärzt:innen, die sich als Expert:innen für Teledermatologie etablieren, benötigen eine Schulung in der Informationstechnologie (IT), Datenanalyse, als auch anwendungsbezogenes Wissen. In diesem Kontext sind die Begriffe „digitech und digitouch“ wichtig zu nennen. Ein:e Arzt/Ärztin benötigt in der Teledermatologie eine digitale Affinität als auch ein Einfühlungsvermögen gegenüber dem/der nun digital vorliegenden Patienten/Patientin.
Für die Zukunft sollten dringend Grundlagen für eine Aus- und Weiterbildung auch für bereits praktizierende Ärzt:innen geschaffen werden, um einen Grundstein für die digitale Transformation und Zukunftssicherheit des deutschen Gesundheitswesens und somit für die flächendeckende Anwendung der Teledermatologie zu legen.
Dr. Alice Martin studierte Humanmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und arbeitet seit 2018 als Ärztin in Weiterbildung für Dermatologie, aktuell im Helios Universitätsklinikum Wuppertal. Sie ist Mitgründerin von dermanostic – „Hautarzt per App“ und dem Start-up MEDILOGIN, einer Online-Fortbildungsplattform für Ärzte.
Weitere Informationen zur Teledermatologie und zum Start-up dermanostic finden Sie hier.
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