Heinz Lohmann als „den“ Unternehmer der letzten Jahrzehnte in der Gesundheitswirtschaft zu bezeichnen, ist sicherlich nicht übertrieben. Sein scharfer, geübter Blick auf Fehlentwicklungen ist ungetrübt, im Gespräch bemängelt er, dass die letzten Jahre „viele Probleme nach dem alten Rezept ‚mehr Geld, mehr Mitarbeiter‘ zugekleistert“ worden seien. Die Strukturvorschläge der Krankenhausreform überzeugen ihn, als problematisch sieht er die Finanzierungspläne.
Sie sind Unternehmer und Investor in der Gesundheitswirtschaft. Was ist ihre Motivation als Gesundheitsunternehmer?
Ich bin seit rund 45 Jahren in der Gesundheitswirtschaft, die 1979, als ich anfing, natürlich noch nicht so bezeichnet wurde, in unterschiedlichen Funktionen tätig. Unter anderem war ich knapp 13 Jahre Vorstandsmitglied, zuletzt als Vorsitzender, eines großen Krankenhausunternehmens. In der langen Zeit habe ich viele Dinge erlebt, die verbesserungswürdig waren.
Insbesondere die Rolle der Patientinnen und Patienten entsprach ganz häufig nicht den eigenen Ansprüchen der Akteure. Das zu ändern ist eine wesentliche Motivation für mich als Unternehmer, der ich jetzt auch schon fast 20 Jahre lang bin. Und natürlich ist die Gesundheitswirtschaft mit 1,4 Milliarden Euro Umsatz jeden Tag und über 6 Millionen Beschäftigten generell eine hochinteressante Branche.
Ein Gesundheitssystem, das Gesellschaft und Patient:innen erfolgreich Nutzen stiftet und ertragreiches Wirtschaften sind zwei Pole, die in der öffentlichen, aber auch in der politischen Diskussion oft als unvereinbar gesehen werden.
Medizin und Ökonomie wurden in der Tat häufig als Gegensätze gesehen. Dabei ist das eine ohne das andere undenkbar. Insbesondere in einem ganz wesentlich solidarisch finanziertem System ist Wirtschaftlichkeit unabdingbar. Unwirtschaftlichkeit ist unethisch. In der öffentlichen Diskussion wird allerdings immer wieder die Auffassung vertreten, Geld dürfe bei dem Thema Gesundheit keine Rolle spielen. Ökonomen sind für viele Fehler im Gesundheitssystem die Sündenböcke. Ganz unschuldig daran sind sie allerdings auch selber nicht, da sie immer noch zu häufig ausschließlich zahlengetrieben agieren.
Mit welchem Mindset lassen sich diese beiden Pole in Einklang bringen?
Es geht in der Gesundheitsbranche mehr noch als in anderen Wirtschaftsbereichen um die richtige Allokation knapper Güter. Das ist heute neben dem Geld vor allem auch der optimierte Einsatz rarer Fachkräfte, immer im Interesse der Patientinnen und Patienten. Da kann die Ökonomie Entscheidendes einbringen. Deshalb werden die Gesundheitsunternehmen erfolgreich sein, in denen Therapeutinnen und Therapeuten sowie Ökonominnen und Ökonomen an einem Strang ziehen.
Was ist in den letzten Jahrzehnten im deutschen Gesundheitssystem schiefgegangen und an welchen Stellen sind wir besser aufgestellt, als es vielleicht den Anschein hat?
Das Gesundheitssystem ist leider nicht mutig Schritt für Schritt weiterentwickelt worden, sondern in den letzten Jahren sind viele Probleme nach dem alten Rezept „mehr Geld, mehr Mitarbeiter“ zugekleistert worden. Dadurch sind Innovationen häufig erst verzögert oder noch gar nicht eingeführt worden.
Insbesondere der Stand der Digitalisierung lässt sehr zu wünschen übrig. Die Medizin selbst ist nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau und das Engagement der Ärzteschaft sowie der Pflegekräfte ist herausragend. Bedauerlicherweise geht letzteres in der öffentlichen Diskussion zu oft unter.
Durch die oft kritisierte Krankenhausreform kommen viele Veränderungen auf die Krankenhäuser zu. Wo sehen Sie Stärken und Schwächen der Reform?
Die Stärken liegen eindeutig in den Strukturvorschlägen. Es macht doch unbestritten großen Sinn, komplexe Medizin an wenigen Orten zu konzentrieren. Dafür sprechen viele Gründe, nicht zuletzt die immer knapper werdenden Expertinnen und Experten. Richtig ist andererseits, dass die Ambulantisierung der Medizin eine Dezentralisierung der Grundversorgung erlaubt. Problematisch sind die Finanzierungsvorschläge.
Jetzt eine Rolle rückwärts in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts mit der Wiedereinführung der Alimentierung von Krankenhäusern anstelle der Weiterentwicklung des Leistungsbezugs zu vollziehen, ist ein Irrweg. Hier gilt es, sich in der weiteren Diskussion eines Besseren zu besinnen.
Welche Skills und Kompetenzen brauchen Führungsverantwortliche in Krankenhäusern in diesen herausfordernden Zeiten?
In Krankenhäusern wird ganz generell zu wenig geführt. Das ist in Zeiten des Umbruchs, wie wir sie gegenwärtig erleben, besonders problematisch. Einfach nur auf die Entscheidungen der Politik zu warten, ist keine Option. Jetzt ist unternehmerisches Management angesagt. Dazu sind ein klares Zielkonzept und Mut zur Umsetzung erforderlich. Medizin und Ökonomie müssen dazu zur Deckung gebracht werden.
Wie wichtig ist Wettbewerb im Gesundheitswesen und an welchen Stellen sollte man ihn intensivieren?
Ich trete ohne Wenn und Aber für einen starken Staat ein. Allerdings sollte er sich darauf konzentrieren, das zu tun, was er leisten kann. So muss er die Marktordnung bestimmen, die für alle Anbieter gilt. Die Akteure können dann im Wettbewerb untereinander um die Gunst der Patientinnen und Patienten ringen. Hier muss sich der Staat zurückhalten, weil sonst das System kaputtreguliert würde. Derzeit droht die Bürokratie die Medizin zu erdrosseln.
Ist es Ihrer Meinung nach förderlich, sich als Arzt oder Ärztin unternehmerische Kenntnisse anzueignen?
Unbedingt. Im Kern von Gesundheitsunternehmen geht es um Medizin. Ohne gleichberechtigtes Zusammenwirken der verschiedenen Fachkompetenzen können solche komplexen Betriebe nicht kompetent gesteuert werden. Da ist es gut, wenn ein wechselseitiges Verständnis der Akteure hilft, die Zusammenarbeit zu befördern. Übrigens gibt es eine ganze Reihe von erfolgreichen ärztlichen Managerinnen und Managern in Kliniken, aber auch als Unternehmerinnen und Unternehmern von Start-ups.
Sie unterstützen selbst viele Start-ups als „Business Angel“. Nach welchen Kriterien investieren Sie?
In den ersten Jahren meiner unternehmerischen Tätigkeit habe ich sehr intensiv auf die Inhalte geschaut. Wenn mir eine Idee gut gefallen hat, habe ich mich häufig engagiert. Natürlich muss auch heute noch das Programm und das Konzept eines Start-ups stimmen, aber mindestens genauso wichtig ist für mich, ob die Gründerinnen und Gründer für ihre Unternehmung brennen.
Nur wenn das der Fall ist, werden die Phasen der Ernüchterung, die erfahrungsgemäß auf die Starteuphorie folgen, mit Tatkraft durchgestanden werden können. Dazu gehört auch, dass die Expertinnen und Experten eines Start-ups gerade in der Gesundheitswirtschaft das notwendige Vertrauen in das Produkt oder die Dienstleistung verkörpern, zum Beispiel spezifische Software unter dem Motto „von Ärzten für Ärzte“. Ähnliches gilt auch gegenüber den Patientinnen und Patienten. Gesundheitswirtschaft ist Vertrauenswirtschaft und da haben Ärztinnen und Ärzte immer noch einen Vorschuss.
Der heutige Gesundheitsunternehmer hat ab 1969 ein Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hamburg absolviert und als Diplom-Soziologe abgeschlossen. Von 1975 bis 1979 war Lohmann als Projektsteuerer in der Planungsgruppe Martin Kirchner in Hamburg tätig. Von 1979 bis 1982 war er Leiter des Pressereferats und ab 1982 Abteilungsleiter in der Gesundheitsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. 1992 trat er als Vorstand in das Krankenhausunternehmen LBK Hamburg ein, das er von 1997 bis 2005 als Vorstandssprecher leitete.
Lohmann ist heute an einer Reihe von Gesundheitsunternehmen und Start-ups beteiligt. Zudem ist er Präsident verschiedener Gesundheitswirtschaftskongresse. 2002 hat ihm die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, in Würdigung seines Engagements für die Anwendung und Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden im Gesundheitssektor, gem. § 17 des Hamburgischen Hochschulgesetztes den akademischen Titel Professor verliehen. Er ist Autor und Herausgeber diverser Publikationen.
Heinz Lohmann fördert und sammelt gemeinsam mit seiner Frau Ulla seit 1969 experimentelle Gegenwartskunst.