Chefarzt Professor Dr. Baberg über neue Wege in der Ärzteausbildung – zwischen Patientennähe und technologischem Wandel
Die Medizinerausbildung in Deutschland braucht neue Wege: Mehr Studienplätze, praxisnahe Lehre und Vorbereitung auf ein digitalisiertes Gesundheitswesen. Im Gespräch mit Professor Dr. Baberg, Chefarzt für Kardiologie und Nephrologie sowie Gründungsrektor der MSB Medical School Berlin, erfährst du, wie innovative Ausbildungskonzepte entstehen und welche Kompetenzen künftige Ärztinnen und Ärzte wirklich brauchen.

Sie sind Chefarzt der Kardiologie und Nephrologie – was begeistert Sie an Ihrer Fachdisziplin?
Was mich besonders fasziniert, ist die Vielseitigkeit: Ich arbeite sowohl mit akuten Notfällen als auch mit langfristigen Therapien. Dabei kombiniere ich konservative und interventionelle Behandlungsmethoden, was meinen Arbeitsalltag sehr abwechslungsreich macht. Zudem eröffnet mir die fortschreitende innovative Forschung immer wieder neue, vielversprechende Therapieansätze, die ich in der Praxis unmittelbar miterleben und anwenden kann.
Sie sind Gründungsrektor der MSB Medical School Berlin. Welche Intention hat Sie bei der Gründung angetrieben?
Mich leitete ganz klar das Nachwuchsthema: Wir brauchen mehr Ärzte, und zwar die besten. Und das trotz der bestehenden, sehr begrenzten Studienplatzkapazitäten in Deutschland. Die Zugangsbeschränkungen, insbesondere den Numerus Clausus, halte ich für zu starr und nicht immer für einen zuverlässigen Indikator dafür, wer letztlich ein guter Arzt wird. Ein Studienkonzept, das nicht nur auf Noten basiert, sondern Potenzial, Motivation und Persönlichkeit der Studierenden stärker in den Fokus rückt, erscheint mir vielversprechender.
Darüber hinaus war es mir persönlich sehr wichtig, meine Freude an der Lehre und mein Wissen an die nächste Generation von Medizinerinnen und Medizinern weiterzugeben. Das Besondere an unserem Konzept ist die enge Verzahnung von wissenschaftlicher Exzellenz, praxisnaher Ausbildung und innovativen Lehrmethoden, die alle Beteiligten – von den Studierenden über die Lehrenden bis hin zu den zukünftigen Patientinnen und Patienten – nachhaltig profitieren lässt. So wollen wir nicht nur qualifizierte Ärztinnen und Ärzte ausbilden, sondern auch eine medizinische Versorgung der Zukunft aktiv mitgestalten.
Was macht die Zusammenarbeit von Helios und der IRO Group für Medizinstudierende besonders attraktiv?
Vor allem die große Patientennähe. Studierende verbringen viel Zeit direkt am Krankenbett, wodurch sie Theorie und Praxis frühzeitig und intensiv miteinander verbinden können. Das Studium ist sehr strukturiert gestaltet, mit klaren Lernplänen und einer engen Betreuung, die sicherstellt, dass die Studierenden ihr Studium in der Regelstudienzeit erfolgreich abschließen können.
Darüber hinaus profitieren die Studierenden von vielfältigen Förderangeboten: Es gibt spezielle Mentoring-Programme, regelmäßige Praxis-Workshops und gezielte Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung. Moderne Lehrmethoden, digitale Lernplattformen und interdisziplinäre Seminare runden das Angebot ab. Besonders hervorzuheben ist die hohe Motivation aller Beteiligten – von den Dozierenden bis zu den Praxispartnern –, junge Medizinerinnen und Mediziner bestmöglich auszubilden und auf die Herausforderungen des Berufs vorzubereiten. So entsteht ein Umfeld, das die fachliche und persönliche Entwicklung der Studierenden gleichermaßen fördert.
„Wer früh lernt, im Team zu denken und Verantwortung zu übernehmen, wird nicht nur fachlich kompetent, sondern auch menschlich zu einer starken Ärztin oder einem starken Arzt heranwachsen“
Das Gesundheitswesen ist immer wieder mit Umbrüchen konfrontiert. Ob es aktuell der technologische Fortschritt, der Kostendruck oder die Maßnahmen des Gesetzgebers sind: Der Anpassungsdruck ist enorm. Mit welchen zeitlosen Kompetenzen wappnet man sich als junger Mensch für solche Umbrüche?
An erster Stelle steht für mich die Fähigkeit zur Interdisziplinarität: Wer über den eigenen fachlichen Tellerrand blickt und den Austausch mit anderen Disziplinen sucht, kann flexibel auf neue Herausforderungen reagieren und zum ganzheitlichen Behandlungserfolg beitragen.
Ebenso zentral ist die Fähigkeit zur Teamarbeit. Medizin ist heute mehr denn je ein gemeinschaftlicher Prozess – geprägt von gegenseitigem Respekt, Wertschätzung und einem klaren Rollenverständnis innerhalb multiprofessioneller Teams. Reflexionsfähigkeit, also die Bereitschaft, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen und weiterzuentwickeln, ist eine weitere Schlüsselkompetenz, die wir jungen Medizinerinnen und Medizinern mit auf den Weg geben möchten.
Und nicht zuletzt legen wir bei Helios großen Wert auf die Nähe zum Patienten. Empathie, Kommunikation auf Augenhöhe und ein tiefes Verständnis für die Lebensrealitäten der Menschen, die wir behandeln, sind keine „weichen“ Faktoren, sondern essenziell für gute Medizin. In der Ausbildung unserer Nachwuchsärztinnen und -ärzte ist es uns daher besonders wichtig, nicht nur Fachwissen zu vermitteln, sondern auch eine Haltung zu fördern, die auf Verantwortung, Mitgefühl und kontinuierlicher Weiterentwicklung basiert.

An welchen Punkten stellen Sie die größten Veränderungen im Medizinstudium (über die Jahre) fest?
In der grundsätzlichen Struktur hat sich das Medizinstudium über die Jahre hinweg nur wenig verändert. Deutliche Veränderungen sehe ich jedoch bei den Lehrinhalten und den didaktischen Methoden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse fließen heute viel schneller in die Lehre ein – auch, weil Studierende durch digitale Plattformen unmittelbaren Zugang zu internationalen Studien, aktuellen Leitlinien und Fachliteratur haben. Das macht die Ausbildung insgesamt aktueller und stärker evidenzbasiert als noch zu meiner Zeit.
Auch die Methodik der Lehre hat sich deutlich weiterentwickelt. Statt reinem Frontalunterricht kommen heute zunehmend interaktive Formate zum Einsatz – etwa problemorientiertes Lernen (POL), bei dem Studierende in Kleingruppen reale Fallbeispiele analysieren und Lösungskonzepte erarbeiten. Simulationsbasiertes Training, beispielsweise an hochmodernen Patientensimulatoren, ermöglicht es, komplexe medizinische Situationen realitätsnah zu üben, bevor der erste Patientenkontakt stattfindet. Digitale Lernplattformen, Videotutorials oder auch E-Learning-Module bieten zudem die Möglichkeit, Inhalte flexibel und im eigenen Tempo zu vertiefen.
Nicht zuletzt ist auch die Praxisnähe deutlich gestiegen. Studierende werden frühzeitig in den klinischen Alltag eingebunden – sei es durch Praktika, Unterricht am Krankenbett oder Hospitationen –, sodass sie ihr theoretisches Wissen direkt am Patienten anwenden und reflektieren können. Das alles trägt zu einer sehr viel umfassenderen, kompetenzorientierten Ausbildung bei.
Personalisierung und Digitalisierung (Robotik und KI) spielen auch in der Medizin eine immer größere Rolle – inwieweit können Sie diese neuen herausfordernden Themengebiete in Ihre Lehre integrieren?
Die zunehmende Digitalisierung und die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz verändern die Medizin grundlegend. Klar ist: Sie werden die ärztliche Entscheidungsfindung, Diagnostik und Therapieplanung nachhaltig beeinflussen. Daher ist es uns ein wichtiges Anliegen, Studierende frühzeitig für diese Themen zu sensibilisieren und erste Kompetenzen im Umgang mit digitalen Tools und KI-basierten Anwendungen zu vermitteln.
Ein besonders dynamisches Feld ist die personalisierte Medizin. Sie verändert unsere Sicht auf Krankheiten, da sie nicht mehr nur in starren Kategorien gedacht werden, sondern auf der Ebene individueller genetischer, molekularer und lebensstilbezogener Merkmale betrachtet werden. Der einzelne Patient rückt stärker in den Mittelpunkt, und Therapien müssen deutlich individueller geplant werden. Diese Denkweise spiegelt sich zunehmend auch in den Inhalten des Medizinstudiums wider.
Die Digitalisierung hat das Potenzial, administrative Prozesse zu verschlanken und Zeitressourcen für die direkte Patientenversorgung oder Lehre freizusetzen. In der Praxis wird diese Zeit jedoch oft durch wachsende bürokratische Anforderungen wieder aufgezehrt. Umso wichtiger ist es, dass wir die Kompetenzen vermitteln, die in einer sich wandelnden medizinischen Landschaft wirklich zählen: analytisches Denken, ethisches Urteilsvermögen, Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit zur kritischen Bewertung auch digital erzeugter Daten. In der klinischen Ausbildung fördern wir gezielt Reflexionsfähigkeit, interdisziplinäres Denken und die Bereitschaft, sich auf lebenslanges Lernen einzulassen – denn genau das wird angesichts des rasanten medizinisch-technologischen Fortschritts zur Schlüsselkompetenz der Zukunft.
„Medizin ist heute mehr denn je ein gemeinschaftlicher Prozess – geprägt von gegenseitigem Respekt, Wertschätzung und einem klaren Rollenverständnis innerhalb multiprofessioneller Teams“
Angebote zu Famulatur oder PJ sind in den Helios-Kliniken ein wichtiger Baustein, um Medizinstudierende in ihrer fachlichen und persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Worauf kann sich der Nachwuchs dabei verlassen?
Medizinstudierende, die ihre Famulatur oder ihr PJ in einer Helios Klinik absolvieren, profitieren von einer strukturierten, praxisnahen Ausbildung und einer engen Einbindung in die klinischen Teams. Von Beginn an übernehmen sie unter Anleitung eigene Aufgaben und werden aktiv in den Behandlungsalltag integriert.
Verbindliche Qualitätsstandards wie regelmäßige, zielgruppengerechte Fortbildungen – sowohl abteilungsintern als auch klinikweit – gewährleisten eine fundierte fachliche Weiterentwicklung. Ergänzt wird dieses Angebot durch Mentoring-Programme, in denen erfahrene Ärztinnen und Ärzte als feste Ansprechpersonen zur Seite stehen und bei der persönlichen und beruflichen Orientierung unterstützen.
Regelmäßige Feedbackgespräche sind ebenfalls fester Bestandteil des Ausbildungsprozesses. Sie bieten Raum für Rückmeldung, Reflexion und gezielte Förderung. So unterstützen wir unsere Studierenden nicht nur im Alltag, sondern auch bei der Entscheidung für ihren späteren fachärztlichen Weg – verlässlich, individuell und auf Augenhöhe.
Basierend auf Ihren eigenen Studienerfahrungen – was war für Sie im Medizinstudium wichtig, was Sie auch den jungen Mediziner:innen auf den Weg geben möchten?
Was mich in meiner eigenen Studienzeit besonders geprägt hat, war die Möglichkeit, bereits früh im Praktischen Jahr unter Aufsicht echte Verantwortung zu übernehmen. Ich durfte mich aktiv in Diagnostik und Therapie einbringen und habe dadurch enorm an Sicherheit und Motivation gewonnen. Diese frühe Einbindung war für meine fachliche wie persönliche Entwicklung von großem Wert – und genau das möchte ich auch heutigen Studierenden ermöglichen.
Besonders positiv in Erinnerung geblieben ist mir außerdem die kollegiale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen meines Ausbildungskrankenhauses. Die Interdisziplinarität wurde nicht nur betont, sondern tatsächlich gelebt – und hat mein Verständnis von moderner Medizin nachhaltig geprägt. Dieses Miteinander auf Augenhöhe, über Fachgrenzen hinweg, versuche ich heute aktiv in der Lehre zu vermitteln. Denn ich bin überzeugt: Wer früh lernt, im Team zu denken und Verantwortung zu übernehmen, wird nicht nur fachlich kompetent, sondern auch menschlich zu einer starken Ärztin oder einem starken Arzt heranwachsen.


