Dr. Rainer Külker ist seit zehn Jahren Landarzt in Warnitz, einem kleinen Ort in der Uckermark. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie seine Arbeit in der Landarztpraxis aussieht, wie man den Landarztberuf für junge Mediziner:innen attraktiver machen kann und was er an seinem Job am meisten liebt.
Herr Dr. Külker, warum haben sie eine eigene Praxis auf dem Land übernommen?
Nachdem ich mehrere Jahre lang in der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika gearbeitet habe, wo man vorwiegend mit Organisations- und Managementaufgaben betraut ist, hatte ich den Wunsch, noch einmal „nah am Patienten“ zu sein. Daher habe ich beschlossen, die letzten Jahre meiner Berufskarriere als Landarzt zu arbeiten.
Welcher Art Mensch begegnen Sie täglich in Ihrer Landarztpraxis und mit welchen Problemen kommen sie zu Ihnen? Gibt es da Unterschiede zu Patient:innen in der Stadt?
Meine Patient:innen sind in der Regel schon älter, im Schnitt um die 70 Jahre. Daher kommen die meisten von ihnen auch mit typischen Altersbeschwerden zu mir: Gelenkbeschwerden, Rückenschmerzen, Arthrose, Diabetes und Bluthochdruck. Auch für die Krebsnachsorge bin ich häufig zuständig. Ich habe leider keinen Vergleich zur Stadt, kann mir aber vorstellen, dass die „aufgeklärten Städter“ die arbeitsintensiveren Patient:innen sind, die den Arzt oder die Ärztin auch häufiger in Frage stellen und deren Diagnosen und Ratschläge kritischer sehen.
Wie wirtschaftlich ist Ihre Landarztpraxis und welche finanziellen Risiken bestehen?
Nennen Sie mir den deutschen Landarzt, der von seiner Praxis nicht leben kann. Ärzt:innen klagen gern und häufig, aber ich komme mit meinen rund 800 Patient:innen und einem Privatpatientenanteil von zwei Prozent sehr gut über die Runden und kann mich, was die Finanzen angeht, wirklich nicht beschweren.
Heutzutage zieht es den Großteil der jungen Menschen weg vom Land in die Großstädte. Wie wirkt sich das auf Ihre Praxis aus? Gibt es beispielsweise Probleme, Personal zu finden?
Das kann ich schwer beurteilen. Ich habe zwei Krankenschwestern von meinem Vorgänger übernommen und sie halten mir seit 10 Jahren die Treue. Bislang stellt sich also dieses Problem nicht.
Der Ärztemangel in ländlichen Regionen ist bekanntermaßen sehr hoch. Was halten Sie von Gegenmaßnahmen wie etwa Stipendien im Gegenzug für eine Verpflichtung oder Unterstützung bei der Einrichtung einer Landarztpraxis?
Von diesen Maßnahmen halte ich sehr viel! Es gibt aber auch noch einiges, was getan werden kann. Zum einen könnte man Krankenhäuser dazu verpflichten, zehn Prozent ihrer Assistenzärzt:innen zu Allgemeinmediziner:innen weiterzubilden. Junge Kolleg:innen, die den Facharzt oder die Fachärztin anstreben, haben häufig Probleme zwischen den Abteilungen zu wechseln, weil die Chefärzt:innen in der Regel daran interessiert sind, dass die Assistenzärzt:innen viele Jahre auf ihren Abteilungen bleiben.
Auch die Schaffung von medizinischen Versorgungszentren mit einem Spektrum von Fachärzt:innen halte ich für sinnvoll, damit das leidige Problem der Überweisungen zu den Fachärzt:innen entfällt. Den Facharztberuf könnte man ebenfalls aufwerten, durch eine Regelung, nach der der Zugang zu Fachärzt:innen ausschließlich über den Allgemeinarzt oder die Allgemeinärztin erfolgen kann. Zuletzt sollte man, wo es sinnvoll ist, ärztliche Aufgaben an medizinische Fachangestellte delegieren, die zum Beispiel einem Großteil der immobilen Patient:innen regelmäßige Hausbesuche anbieten können. Das System VERAH, das MFAs eine Qualifizierung zur Arbeit in der Hausarztpraxis ermöglicht, sollte deutlich, vor allem finanziell, aufgewertet werden.
Was spricht Ihrer Meinung nach dafür, eine Praxis auf dem Land zu eröffnen, und was dagegen?
Das ist ja fast eine philosophische Frage. Selbst in Zeiten zunehmender Urbanisierung werden viele Menschen auf dem Land bleiben wollen. Diese brauchen eine medizinische Versorgung, die von hoher Qualität sein muss. Als Landarzt muss ich als erste Anlaufstelle für alle medizinischen Probleme fungieren, auch für solche, die in der Stadt sofort in stationärer oder fachärztlicher Behandlung landen würden. Außerdem bietet die Versorgung der Menschen in ländlichen Regionen viel eher die Chance eines umfassenden Ansatzes, bei dem man auch das soziale und familiäre Umfeld der Patient:innen immer mit im Auge hat.
Mit welchen Herausforderungen hat Ihre Praxis am meisten zu kämpfen?
Der Job ist auch bei guter Organisation kein Acht-Stunden-Job. Meine private Situation erlaubt es glücklicherweise, auch zehn bis dreizehn Stunden pro Tag zu arbeiten. Bei Kolleg:innen, für die die Work-Life-Balance wichtig ist, ist das nicht möglich.
Was lieben Sie an Ihrem Job?
Mein Beruf als Landarzt ist extrem abwechslungsreich und ich kann mich sowohl über soziale Anerkennung als auch über eine gute Bezahlung freuen. Aber vor allem liebe ich es, tief in das Leben meiner Patient:innen Einblick haben zu können. Wenn ich durch mein Einzugsgebiet fahre, verbinde ich mit jedem dritten Haus eine Geschichte!
Inwiefern hat die Entscheidung, Landarzt zu werden, Ihr Leben positiv beeinflusst?
Ich habe in meinem Leben schon viel gemacht: viele Jahre Entwicklungszusammenarbeit in Afrika, einen Job als Consultant und acht Jahre lang Arbeit als Dozent an der Uni Heidelberg. Ich habe also eine gute Vergleichsgrundlage und ich kann sagen: Die letzten zehn Jahre als Landarzt in der Uckermark waren für mich die professionell befriedigendste Zeit.
Dr. Rainer Külker schloss 1987 seine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, Geburtshilfe und Frauenheilkunde ab. Im Laufe seines Lebens verschlug es ihn als Mitarbeiter des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit immer wieder in verschiedene Länder Afrikas für die Entwicklungshilfe im Gesundheitssektor. Diesem Thema widmete er sich auch als Dozent am Institute for Public Health an der Universität Heidelberg. Seit 2012 leitet Dr. Külker seine eigene Praxis für Allgemeinmedizin in Warnitz am Uckersee.