Die Tätigkeiten von Labormediziner:innen erstrecken sich von der Analyse von Biomarkern über KI bis hin zur Therapie. Ihre Arbeit ist essentiell nicht nur für Patient:innen, sondern auch für deren behandelnde Ärzt:innen. Drei junge Labormediziner:innen geben uns einen Einblick in ihren Alltag und gehen dabei auf Entwicklungsmöglichkeiten, die Work-Life-Balance sowie den Patientenkontakt ein. Wir wollten wissen, was genau die wichtigsten Argumente für eine Weiterbildung in der Labormedizin sind.
Was fasziniert dich an der Labormedizin?
Da zirka 70 Prozent aller Diagnosen anhand von Laborwerten gestellt werden, leistet die Labormedizin mit ihren hohen Qualitätsstandards einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung und trägt außerdem entscheidend dazu bei, die Diagnostik und Therapieüberwachung kontinuierlich zu verbessern. An der Schnittstelle zwischen in-vitro Diagnostik und translationaler Forschung kann jede:r Einzelne seine Nische finden.
Wie empfindest du die Work-Life-Balance in deinem Beruf?
Im Vergleich zu den klinischen Disziplinen bietet die Labormedizin sehr viele Freiheiten in Bezug auf die Gestaltung des Arbeitsalltags. Die Arbeit ist besser planbar und mit weniger akuten Stresssituationen verknüpft. Die Dienstbelastung sowie die Anzahl der Überstunden sind im Durchschnitt geringer als in anderen Fächern. Damit geht eine sehr gute Work-Life-Balance einher, die auch die Vereinbarkeit von Fa-milie und Beruf möglich macht.
Wie siehst du die Entwicklungsmöglichkeiten in der Labormedizin?
Eine Spezialisierung kann in den verschiedenen medizinischen Bereichen erfolgen (zum Beispiel: Hämatologie, Endokrinologie und viele andere). Die Bereiche unterscheiden sich nicht nur in Hinblick auf ihre klinischen Aspekte, sondern gehen auch mit unterschiedlichen diagnostischen Anforderungen einher. Schon jetzt IT-lastig wird KI perspektivisch ein immer größeres Feld innerhalb der Labormedizin darstellen.
Hast du Angst vor vermehrtem Einsatz von KI in der Labormedizin?
Ich sehe in dem vermehrten Einsatz von KI die Chance, das Fach weiter voranzutreiben. Bei dem stetig zunehmenden Umfang an Daten und den immer detaillierter werdenden diagnostischen Algorithmen kann KI dabei unterstützen, Laborergebnisse im medizinischen Kontext zu interpretieren. Es wird immer Labormediziner:innen ge-ben müssen, die diese Entwicklung begleiten und in der Lage sind, die mit Hilfe von KI generierten Ergebnisse abschließend zu beurteilen.
Fehlt dir der Patientenkontakt?
Ich erinnere mich gerne an die schönen Momente in der Klinik zurück, ich habe mich bisher aber nicht zurückgesehnt. Da Patientenkontakt erfahrungsgemäß nicht immer nur positiv zu bewerten ist, überwiegen in meinen Augen die Vorteile der Labormedizin.
Wo arbeitest du derzeit?
Derzeit arbeite ich in einem großen, überregional tätigen Labor in Nordrhein-Westfalen. Wir haben einen umfangreichen medizindiagnostischen Gerätepark, eine hervorragende IT-Infrastruktur und mehrere gut ausgebaute Schwerpunkte in der Spezialdiagnostik wie beispielsweise der Neurologie und Syphilis-Diagnostik (hier sind wir ein nationales Konsiliarlabor). Zudem haben wir eine große Biobank. Aus der Corona-Pandemie konnten wir auch viele Proben für weitergehende Forschung sammeln.
Also ist auch Forschung möglich?
Als großes mittelständisches Labor müssen wir besonders innovativ sein, um am Markt bestehen zu können. Wir haben deshalb eine eigene Forschungsabteilung. Zwar machen wir keine Grundlagenforschung, aber aufgrund unserer Biobank und dem modernen Gerätepark verfolgen wir unterschiedliche Forschungsprojekte. Unsere sehr gute IT-Infrastruktur erlaubt die Analyse von Daten und den Einsatz von künstlicher Intelligenz – ein Zukunftsfeld, zu dem wir sicherlich viel beitragen können.
Was fasziniert dich am meisten an der Labormedizin?
Die Innovationsstärke. Jedes Jahr kommen neue Tests auf den Markt und müssen in der Routine eingeführt, validiert und interpretiert werden. Das Fach erfordert ein tiefes medizinisches Wissen, da es Schnittstellen zu fast allen medizinischen Fachrichtungen aufweist. So wird man zum kompetenten Ansprechpartner für die Behandlung komplexer Fälle, etwa in der Autoimmundiagnostik. Es ist spannend, für den Patienten sinnvolle und gute diagnostische Lösungen zu finden.
Wie kannst du die unterschiedlichen Aufgaben in deinem Arbeitsalltag vereinen?
Die unterschiedlichen Aufgaben im Labor und in der Forschung lassen sich gut zusammenbringen. Ich kann mir meinen Arbeitsablauf weitgehend frei einteilen und den Tag selbstbestimmt gestalten. Bei uns sind auch ein bis zwei Tage Homeoffice möglich. Zudem können Teilzeitmodelle umgesetzt werden.
Kannst du die Labormedizin für andere Kolleg:innen empfehlen?
Je länger ich im Beruf bin, desto mehr sogar. Die Routinediagnostik ist sicherlich ein gutes zweites Standbein für forschungsaffine Ärzt:innen. In der Labormedizin hat man häufig einen engen Bezug zur Forschung, kann aber auch etwa in Hinblick auf das Privatleben oder die Familie verlässlich planen. Die Arbeitsmarktsituation ist derzeit sehr gut für Labormediziner:innen.
Was verbindest du mit der Labormedizin?
Interdisziplinäres Arbeiten, Vereinbarkeit mit wissenschaftlicher Forschung, Bereitschaft, neue Erkenntnisse zeitnah in die Patientenversorgung zu etablieren.
Was fasziniert dich an der Labormedizin?
Ich schätze den Abwechslungsreichtum in der Labormedizin und habe das Gefühl, dass das Fach deutlich unterschätzt wird. Labormediziner:innen entwickeln ein breites und interdisziplinäres Fachwissen, validieren Befunde, recherchieren neue Biomarker und prüfen deren therapeutische Relevanz. Wir führen neue Methoden ein, entwickeln Problemlösungsstrategien und sind häufig in Kontakt zu Kolleg:innen. Darüber hinaus werden wir im Universitätsklinikum ermutigt, selbst in Forschung und Lehre tätig zu sein.
Wie steht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben zu realisieren, ist in der Labormedizin – verglichen mit anderen Fachrichtungen – deutlich einfacher. Für meine Familie stellt es eine Entlastung dar, dass ich nun keine Nacht-/Bereitschaftsdienste in der Klinik verbringen muss. Zudem können viele Fragestellungen über Telefon oder remote geklärt werden. Ich glaube, dass Homeoffice in der Labormedizin auch zukünftig verstärkt möglich sein wird.
Welche Entwicklungsmöglichkeiten siehst du für dich?
Ich fühle mich gerade am Universitätsklinikum sehr wohl. Die Kombination aus Routinediagnostik, Forschung und Studierendenunterricht erfüllt mich. Aber auch im ambulanten Bereich oder in kleineren Laboren besteht Bedarf an Labormediziner:innen. Wo ich mich in den nächsten 20 Jahren sehe, weiß ich noch nicht. Ich denke aber, dass ich in der Labormedizin sehr gute Chancen habe, eine passende Tätigkeit zu finden, die zu meinen persönlichen Bedürfnissen und zum aktuellen Lebensabschnitt passt.
Wie steht es um den Patientenkontakt?
In der Labormedizin stehen wir in ständigem Kontakt zu Klinikern, um bei konkreten Fragestellungen zu einem Fall zu beraten. Wir arbeiten also nicht direkt an, aber nah an Patient:innen. Gelegentlich stellen sich bei uns Patient:innen zu Beratung und Blutabnahme vor, besonders bei präanalytisch schwierigen Parametern. Der Patientenkontakt in meiner vorherigen Zeit in der Klinik war häufig davon geprägt, möglichst effizient Anamnesen und klinische Untersuchungen durchzuführen. Im Patientenkontakt in der Labormedizin dagegen darf ich mir für die einzelnen Patient:innen auch etwas länger Zeit nehmen. Das empfinde ich als angenehm.
Nähere Informationen finden Sie auf der Homepage der DGKL: www.dgkl.de. Bei Fragen zur Weiterbildung: sek_junges.labor@dgkl.de
Einen weiteren Einblick in die Arbeit eines Labormediziners / einer Labormedizinerin finden Sie hier verlinkt.