Für Geschäftsführer von Krankenhäusern gehört der Neubau zu den anspruchsvollsten Projekten überhaupt: Politische Widerstände sind zu überwinden, eine erhebliche Finanzierung muss gestemmt werden und diverse Genehmigungsverfahren sind zu bestehen. Vor dieser operativen Umsetzungskompetenz steht der strategische Blick auf das Vorhaben: In was für einem Haus wollen wir die Menschen zukünftig Willkommen heißen?
Wie all dies gelingt, erklärt Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp anhand seiner konkreten Erfahrungen beim Neubau der Rehabilitationsklinik (Bild) des BG Klinikums Unfallkrankenhaus Berlin.
Prof. Ekkernkamp, für Ihr Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) haben Sie eine Rehabilitationsklinik bauen lassen. Können Sie uns zu Beginn des Gesprächs ein paar Fakten zum Vorhaben nennen?
Gerne. Der Baubeginn erfolgte 2017, nach drei Jahren Bauzeit wurde das Gebäude im Januar 2021 in Betrieb genommen. In dem sechsgeschossigen, 125 Meter langen und 34 Meter breiten Neubau gibt es auf einer Brutto-Grundfläche von rund 21.000 Quadratmetern unter anderem Therapieräume, ein Patienten-Restaurant und 151 Einzelzimmer mit roll- stuhlgerechten Bädern. 96 Zimmer, davon 80 mit Loggia, stehen für berufsgenossenschaftliche Patienten im Rahmen der integrativen Rehabilitation zur Verfügung, 15 für Beatmungsentwöhnung (Weaning) und 40 für neurologische Frührehabilitation.
Wie hat die Finanzierung des Bauprojektes ausgesehen?
Etwa die Hälfte der rund 70 Millionen Euro Bau- und Einrichtungskosten wurden vom Gemeinschaftsfond der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) übernommen, einen weiteren Großteil bestritt das ukb aus eigenen Rücklagen. Dazu kamen Beiträge der öffentlichen Hand.
Welchen Mehrwert wird die neue Rehabilitations-Klinik für Ärzte, Personal und Patienten bringen?
Das Gebäude wurde nach dem Konzept der „Healing Architecture“ errichtet. Durch Faktoren wie Lichteinfall, Gestaltung von Wänden und Fußboden, Raumanordnung und Akustik wird der Genesungsprozess positiv beeinflusst. In diesem Zusammenhang wird eine nachhaltige, patientenorientierte Versorgung angestrebt: Berücksichtigt werden unter anderem Faktoren wie erhöhtes Bedürfnis an das Wohlbefinden und die Wahrnehmung im Raum, Aufenthaltsmöglichkeiten im Innenbereich und im Grünen, Bewegungsmöglichkeiten, Vermeidung von Stress und Enge.
Für das Personal bringt das Architekturkonzept beispielsweise attraktive, gut ausgestattete Arbeitsplätze, Tageslicht in allen Bereichen und geschützte Pausenräume mit sich. Das Architekturbüro Nickl und Partner hat für dieses Gebäude inzwischen mehrfach Preise gewonnen.
Wenn Sie zurück auf die Planungsphase blicken: Welche waren die größten Herausforderungen, denen Sie sich stellen mussten?
Das parkähnliche Gelände rund um das Unfallkrankenhaus steht unter Denkmalschutz. So mussten Landesdenkmalamt und die Untere Denkmalschutzbehörde dem geplanten Standort des Neubaus zustimmen. Mit benachbarten Grundstückbesitzern waren langwierige Verhandlungen erforderlich, weil dort Flächen, etwa für eine Zufahrt mit Liegendkrankenvorfahrt, erworben werden mussten. Dazu kamen aufwändige Förderverfahren der DGUV.
Auch auf politischer Ebene galt es, Widerstände zu überwinden. Die Länder Berlin und Brandenburg hatten sich in den 90er Jahren darauf verständigt, dass Berlin sich bei der stationären Versorgung um die Akutmedizin und Brandenburg sich bevorzugt um die rehabilitative Medizin kümmert. Bei meinen vielfältigen „Behördenbesuchen“, zum Beispiel bei der DRV Bund, wurde ich darauf immer wieder deutlich hingewiesen. Letztendlich konnte ich Kritiker des Projekts mit dem Argument überzeugen, dass hier ausschließlich Patienten beziehungsweise Versicherte des eigenen Systems – also im Rahmen des SGB VII – rehabilitiert werden sollten.
Konnte alles umgesetzt werden, was Sie sich am Anfang Ihrer Planungen vorgestellt haben?
Letztendlich: Ja. Zwischenzeitlich gab es allerdings erhebliche, wenn auch gut nachvollziehbare Diskussionen darüber, ob eine High-Tech-Intensivmedizin mit modernster Ausstattung wirklich in ein Reha-Gebäude gehört. Auch hielt man uns für ganz schön abgehoben, 151 Einbettzimmer zu konzipieren und zu bauen. Schließlich war ich immer wieder mit der Frage konfrontiert, was unsere BG-Klinik mit 40 neurologischen Früh-Reha-Betten „anstellen“ will.
Im Nachhinein betrachtet haben wir alles richtig gemacht: Seit der Corona-Pandemie ist klar, dass ein Krankenhaus gar nicht über zu viele Einzelzimmer verfügen kann. Mancher Infektiologe fordert sogar, man dürfe in Deutschland Krankenhäuser nur noch mit Einbettzimmern errichten. Auch die Bedarfsfrage bei der neurologischen Früh-Reha stellt sich nicht mehr: Die Post-Covid-Programme der gesetzlichen Unfallversicherungsträger sorgen bei inzwischen 200.000 Personen mit der anerkannten Berufskrankheit „Infektion mit Covid-19“ für eine 100 Prozent-Belegung der vorgehaltenen Kapazitäten. Schließlich: Reha und High-Tech unter einem Dach – eine tolle, spannende Kombination.
Welches sind nach den von Ihnen gemachten Erfahrungen die Schlüsselfaktoren, die einen Krankenhaus-Neubau am Ende erfolgreich werden lassen?
Ein Punkt ist entscheidend: Es muss eine eingehende, gern auch kontroverse Diskussion über Inhalte, Ausstattung und Personalbedarf geben – und zwar VOR Baubeginn.
Was für Menschen benötigt man, um so ein großes Projekt zu stemmen?
In der ersten Phase bedarf es der Mutigen mit guter Kondition. Bedenken und Bedenkenträger begegnen einem in der Planungsphase mehr als genug: nicht bedarfsgerecht, zu groß, zu klein, zu teuer, Reha in der Bundeshauptstadt nicht erlaubt, zu wenig Platz für Zugangswege oder Zufahrten, große Abhängigkeit von Nachbarn und Genehmigungsbehörden, es geht doch alles auch ohne Neubau, verschandelt das Landschaftsdenkmal.
Der Erfolg steht und fällt mit einem Technikleiter, der in der Realisierung großer, komplexer, wohl auch komplizierter Bauprojekte erfahren ist. Die Berliner BG Klinik verfügt mit Dipl-Ing. Dirk Skalski über eine solche Persönlichkeit. Das Architekturbüro sollte über ausreichend Erfahrung im Klinikbau verfügen – und ganz am Ende muss der Bauherr auch Nervenstärke beweisen.
Sie selbst sind Ärztlicher Direktor. Was hat Ihnen das Selbstvertrauen gegeben, als Mediziner ein solches für Sie fachfremdes Projekt derart umfangreich steuern zu können?
Zu viel der Ehre – gesteuert haben andere. Dennoch konnte ich auf gesammelte Erfahrungen zurückgreifen: gewählt wurde ich zum Leiter des Krankenhauses bei der Grundsteinlegung 1994. Auf die Errichtung des ukb (468 Betten für 468 Mio. DM) folgten beispielsweise der Bau des Hörsaalgebäudes, die Restaurierung der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Krankenhauskirche und die denkmalschutzadaptierte Renovierung von zahlreichen Altbauten zu Patientenhotels. Wir haben aber auch neu gebaut, so den Helikopter-Hangar auf dem Dach des Klinikums (2009), die Zentrale Notaufnahme/Rettungsstelle (2013), ein Haus für Arztpraxen und Gesundheitsdienstleistungen (2014) und schließlich das inzwischen vielbeachtete Haus der Zukunft (2021). Bauen gehört zur DNA von vielen Krankenhäusern, zum ukb auf jeden Fall.
Welchen Rat geben Sie denjenigen Geschäftsführer:innen oder Ärztlichen Direktor:innen, die aktuell ebenfalls in der Planung eines Krankenhaus-Neubaus sind, auf welches Segment sie besonderes Augenmerk legen sollten, weil man in der Gefahr ist, es zu unterschätzen?
Sie sollten sich nicht unter zeitlichen Druck setzen lassen. Auf jeden Fall gilt es, von den Besten zu lernen. Ganz aktuell ist der Besuch in Bad Neustadt beim stark von Eugen Münch geprägten Rhön-Klinikum, in den Waldkliniken Eisenberg bei David-Ruben Thies und der Universitätskliniken SH in Kiel und Lübeck bei Jens Scholz ein Muss. International gehören Erasmus in Rotterdam, Karolinska in Stockholm, hochinnovative Kliniken in den Emiraten und nach Beendigung der Pandemie auch in Shanghai und Hainan auf die Reise- und Erfahrungsliste. Die Welt der gesetzlichen Unfallversicherung hat sich ja dazu entschlossen, in der Weltstadt Hamburg ein völlig neues, hochinnovatives, digitales, klimafreundliches Krankenhaus zu bauen. Vielleicht darf ich dort noch den einen oder anderen Gedanken beitragen.
Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp leitet das BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin seit der Eröffnung 1997 als Ärztlicher Direktor und gehört seit 1999 der Geschäftsführung an. Seit 2019 fungiert er auch als Geschäftsführer Medizin der BG Kliniken, dem Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung.
Ekkernkamp ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie und verfügt über zahlreiche Zusatzqualifikationen. 1999 wurde er auf den Lehrstuhl für Unfallchirurgie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald berufen. Ekkernkamp (geboren 1957 in Bielefeld) gründete den Club der Gesundheitswirtschaft und ist Mitherausgeber eines Magazins der Gesundheitswirtschaft.
Der unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnete Arzt und Krankenhaus-Manager ist derzeit Vorsitzen- der der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) und zudem Mitglied zahlreicher Fachgremien, beispielsweise dem Wehrmedizinischen Beirat der Bundesministerin für Verteidigung.
Weitere Best Practice-Beispiele finden Sie unter folgendem Link: