Robert Möller, Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) und Geschäftsführer Medizin (CMO) bei Helios, sieht viele Vorteile in der Cluster- und Schwerpunkt-Bildung. Ein Gespräch über die aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung und den Reiz, für Europas Branchenführer mit seinen 76.000 Mitarbeitenden in Deutschland Verantwortung tragen zu dürfen.
Sie sind seit Februar 2022 Geschäftsführung der Helios Kliniken GmbH, zuvor waren Sie Regionalgeschäftsführer für die Region Süd. Wie haben sich Ihre Aufgaben verändert und welche neuen Erfahrungen machen Sie?
Als CEO für Helios habe ich nun die spannende Herausforderung, die Gesundheitsversorgung in Deutschland strategisch und operativ voranzubringen. Eine lange Einarbeitungszeit habe ich nicht gebraucht, da mir Strukturen und Akteure bereits bekannt waren. Die Erwartungen an Helios und die Unternehmensentwicklung sind immens und auch die Rahmenbedingungen mit Kosteninflation und politisch getriebener Strukturreform anspruchsvoll. Aber das sehe ich als den Kern unserer Managementaufgabe: zuerst auf uns schauen, was wir verändern können. Wenig überraschend ist meine persönliche Motivation, Helios jeden einzelnen Tag besser aufzustellen. Mein Blick konzentriert sich auf die medizinische Qualität. Das treibt mich an. Mal erreiche ich meine Ziele und manchmal gibt es natürlich auch eine Pause in der täglichen Erfolgsbilanz.
Welches sind aktuell die größten Problemstellungen des Gesundheitswesens und welche operativen Herausforderungen resultieren daraus konkret für die Helios Kliniken?
Helios sieht die Lösung in bestmöglichen medizinischen Angeboten und nicht in infrastrukturellen Zielbildern. Für uns gilt das Leitmotiv: weiterentwickeln. Es geht also nicht alleinig um die Frage der Krankenhausgröße, sondern um die Frage, wie die Häuser in ein medizinisches Gesamtkonzept eingebunden sind. Deshalb befürworte ich grundsätzlich eine Krankenhausstrukturreform. Die Vorschläge der Regierungskommission bestätigen die bereits seit Jahren bei Helios angestoßenen Initiativen der Cluster- und Schwerpunkt-Bildung. Gut ist der Fokus auf mehr ambulante Versorgung beziehungsweise mehr Flexibilisierung sowie fachliche Spezialisierung.
Welche Chancen sehen Sie in einer zunehmenden Ambulantisierung sowie einer Etablierung sogenannter Level-1i-Häuser – erreicht man damit die gewünschte Entlastung des Systems und wie positionieren Sie Helios in diesem Kontext?
Für unkomplizierte Eingriffe muss man nicht immer zum Maximalversorger, sondern kann durchaus auch mal in kleinere, ambulante Zentren gehen, die alles bieten, was man braucht. Deshalb ist das viel diskutierte Level-1i sehr spannend: Eine Basisversorgung mit möglicher stationärer Behandlung sowie ambulanten Leistungen, gegebenenfalls geführt durch eine pflegerische Leitung, aber für die Behandlung werden Ärztinnen und Ärzte verantwortlich sein.
Ich finde, das ist absolut nicht gleichbedeutend mit dem viel heraufbeschworenen Ende der Versorgung. Besser, wir sehen dies als Chance des Überlebens für kleinere Standorte und denken darüber nach, wie wir diese ausgestalten. Zu Helios gehören ganz bewusst von kleineren Grundversorgern bis hin zu Maximalversorgern eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Krankenhäuser aus verschiedenen Versorgungsstufen sowie rund 240 medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Mit über 600 KV-Sitzen in Deutschland sind wir der größte Anbieter im ambulanten Bereich. Das Gesundheitssystem und die Krankenhauslandschaft sollen reformiert werden, dabei gibt es durchaus unterschiedliche Ansätze.
Was würden Sie denn der Politik raten, welche Schritte die notwendigsten sind?
Das wichtigste Ziel ist die Zentralisierung komplexer Leistungen. Eine Reform der Krankenhauslandschaft muss sich nach der Qualität richten. Aus medizinischer Sicht ergibt es vielerorts keinen Sinn, so weiterzumachen wie bisher. Eine hohe Behandlungsqualität können wir nur erreichen, wenn wir Routinen und Kompetenzen bündeln und komplexe Eingriffe von den Expertinnen und Experten der verschiedenen Fachgebiete gemacht werden.
Ein weiteres dominierendes Thema der Zukunft wird das Zusammenwachsen der stationären mit der ambulanten Versorgung sein. Hier muss Deutschland einen Schritt weiterdenken, und die bisher bekannte Logik auf den Kopf stellen. Die ambulanten Strukturen sollten um unsere Krankenhäuser herum ausgebaut werden. So könnten wir in Zukunft ambulante Versorgungsalternativen anbieten, wo wir stationäre Strukturen nicht mehr einsetzen können und möchten.
Sie sehen die Ökonomisierung der Medizin als Chance und nicht per se als Problem. Wie begegnen Sie der Kritik an der Ökonomisierung?
Wir sollten realistisch bleiben und darüber sprechen, dass die öffentlichen Mittel für die Gesundheitsversorgung nicht unendlich sind und im Wettbewerb mit anderen staatlichen Leistungen stehen. Ohne Wirtschaftlichkeit und Effizienz fehlt das Geld, um in bessere Medizin zu investieren. Die Ökonomisierung in der Gesundheitsversorgung hat zu großen Innovationssprüngen und Verbesserung der medizinischen Behandlungsqualität geführt. Ohne medizinische Qualität, kein wirtschaftlicher Erfolg. Dieses Prinzip gilt für alle Träger im Krankenhauswesen, nicht nur für die privaten Anbieter.
Und wenn wir hier die Brücke zu Helios in der Praxis schlagen, wären unsere großen Investitionen wie Klinikneubauten, moderne Medizintechnik aber auch Fort- und Weiterbildung allein mit öffentlichen Mitteln sicher nicht realisiert worden. Gleichzeitig bedeutet dies im Umkehrschluss, dass in Deutschland eben auch privates Kapital und damit einhergehenden Innovationen und Vorteile in die Gesundheitsversorgung für alle fließt und so allen zugutekommt. Wirtschaftlichkeit heißt für Helios übrigens auch Nachhaltigkeit. Der schonende Umgang mit Ressourcen geht uns alle an. Unser Ziel? Klimaneutralität bis 2040.
Für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens spielen die Mitarbeitenden generell eine ganz zentrale Rolle. Wofür steht Helios als Arbeitgeber?
Wir trauen unseren Mitarbeitenden viel zu und möchten gemeinsam mit ihnen Helios als Arbeitgeber weiterentwickeln. Bei Helios zu arbeiten, ist verantwortungsvoll und erfüllend. Also genau das Richtige für diejenigen, die Kompetenz zeigen und sich im Team einbringen möchten. Es ist unser Anspruch, durch unsere Größe und Netzwerk, für alle den passenden Weg zu bieten, Stärken und Wissen auszubauen. Und damit steht Helios als Arbeitgeber auch für Sicherheit. Denn neben unseren Investitionen in moderne Medizin investieren wir auch in ein attraktives Arbeitsumfeld.
Natürlich sind auch wir nicht perfekt. Deshalb haben wir letztes Jahr eine neue Form der kontinuierlichen Mitarbeitenden-Befragung eingeführt, aus der wir mit mehreren hundert Beteiligten bereits konkrete Maßnahmen abgeleitet haben. Zurzeit arbeiten wir an Themen wie der Begleitung von Veränderungen, Wertschätzung und bessere Einbindung in Entscheidungen. Wichtig ist, dass wir uns hier als komplettes Unternehmen auf den Weg gemacht haben.
Wie sichern Sie, dass Ihre Standards wirklich in jedem Haus und auf allen Ebenen gelebt werden?
Unsere Instrumente der ärztlichen Führung und des Qualitätsmanagements fußen auf den medizinischen Fachgruppen sowie dem Peer-Review-Verfahren. Unsere 30 Fachgruppen sorgen für den Know-how-Transfer in ihrer Disziplin und definieren Benchmarks. Im Peer-Review-Verfahren analysieren besonders qualifizierte Chefärztinnen und -ärzte Behandlungsfälle und identifizieren Verbesserungspotential.
Wir betrachten und fördern natürlich eine gute Führungskultur. Um Führungspersönlichkeiten mit den nötigen Kenntnissen und Methoden auszustatten, gibt es viele Fortbildungsangebote in der Führungskräfteentwicklung, und ich denke, auch bei den Medizinern ist bereits eine grundsätzliche Kulturveränderung zu spüren.
Unsere Ärztliche Weiterbildung basiert auf Struktur, Verbindlichkeit, Sichtbarkeit und Individualität. Für jeden Fachbereich gibt es ein spezifisches Weiterbildungsprogramm. Außerdem setzten wir auf verbindliches Onboarding, Mentorenprogramme sowie ergänzende Trainingsangebote. Durch Rotationskonzepte sowie die regionale und überregionale Vernetzung haben die jungen Ärztinnen und Ärzte vielfältige Möglichkeiten, unterschiedliche Fachbereiche und Kliniken kennenzulernen. Unsere Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung haben an jedem Standort Sprecher, welche beispielsweise in Chefarzt- und Leitungsrunden vertreten sind und sich unternehmensweit für die Qualität der Weiterbildung einsetzen. Flexible Arbeitszeitmodelle und Teilzeit gehören auch für den ärztlichen Dienst schon zur Normalität. Ich denke, diese Möglichkeiten für die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sind aktuell einzigartig in Deutschland.
Ein weiteres wichtiges Thema, welches die Branche beschäftigt, ist die Digitalisierung. Wie sehen Sie Häuser in Deutschland diesbezüglich aufgestellt und welche Chancen bietet das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)?
Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) ist ein starker Impuls für das deutsche Krankenhauswesen. Von der Aufnahmedokumention über Medikationsmanagement bis hin zum Befundmanagement gibt es viele Dokumente und Prozesse, die digital gesteuert werden können und müssen. Mit dem sogenannten Digitalradar Krankenhaus wird der Reifegrad der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern im Zusammenhang mit dem KHZG sogar gemessen. Helios liegt hier mit einem Mittelwert von 45,2 Prozent weit über dem Durchschnitt von 33,3 Prozent. Das zeigt uns, dass es grundsätzlich noch viel Handlungsbedarf gibt, wir aber auch im internationalen Vergleich besser aufgestellt sind, als gemeinhin vermutet.
Welche Digitalisierungsstrategie verfolgt Helios und wo sehen Sie für Ihre Kliniken die größten Potenziale?
Bei Helios werden wir Prozesse automatisieren, um die Zufriedenheit von Mitarbeitenden und Patientinnen und Patienten zu steigern und Kosten zu senken. Zunächst werden bis 2024 Patienten-Services digitalisiert. Die ersten Weichen sind gestellt, zum Beispiel mit der elektronischen Patientenakte oder dem Angebot von digitalen Sprechstunden. Außerdem werden wir bis 2025 alle Dokumente und Dienstleistungen für unsere Mitarbeitenden digital zur Verfügung stellen. Zudem werden wir bis 2026 alle wesentlichen medizinischen Entscheidungen digital unterstützt treffen.
Warum sollte man sich als Mediziner:in unbedingt bei Helios bewerben?
Als Helios CEO und Arzt ist für mich klar, dass bei Helios stets die Medizin entscheidet und wir gemeinsam die Patientenversorgung besser machen. Diese Mischung aus vielen Chancen der persönlichen Weiterentwicklung im Kontext der modernen Qualitätsmedizin im Netzwerk mit rund 10.000 ärztlichen Kolleginnen und Kollegen macht Helios zu einem unglaublich spannenden Arbeitgeber. Helios ist ganz klar mein Lieblingsunternehmen.
Robert Möller ist seit 2014 bei Helios, wo er bis 2017 Klinikgeschäftsführer im Helios Hanseklinikum Stralsund war. 2019 übernahm er die Regionalgeschäftsführung der damaligen Region Mitte. Seit der Zusammenlegung der Regionen Mitte und Süd im Jahr 2020 verantwortete er als Regionalgeschäftsführer diese neue Region Süd. Robert Möller ist ausgebildeter Bankkaufmann, hat Humanmedizin studiert und war als Facharzt für Innere Medizin tätig. Zudem absolvierte er ein weiterführendes Studium an der Fachhochschule Lübeck mit dem MBA-Abschluss Health Care Management.
Bilder: Thomas Oberländer und Lucas Wahl
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