„Löse ein Problem, auch wenn es zunächst nicht lösbar erscheint“. Diese Position bezieht sich hier auf die schwierige Beantwortung der Frage, was Versorger zukünftig für die Aus- und Weiterbildung berücksichtigen müssen, ebenfalls auf die Erwartungen und Ansprüche von Praktikanten und Weiterzubildenden. Denn die Situation ist unübersichtlich. Der Fachbeitrag von Prof. Dr. habil. Wolfgang Hellmann wägt hier ab und gibt praktische Tipps für Versorger einerseits und Praktikanten und Weiterzubildende andererseits.
Ausgangssituation
Die momentane Situation der Versorger ist katastrophal. Personal- und Finanzmangel beeinträchtigen nicht nur massiv die Patientenversorgung, sie blockieren auch eine zielführendende Aus- und Weiterbildung, wenn auch diese bereits vor Corona nicht den notwendigen Erfordernissen entsprochen hat. Resultat ist, dass sich zum Beispiel in der Chirurgie kaum noch Nachfrage für Praktikanten- und Weiterbildungsplätze besteht. Die ausreichende Bereitstellung von Fachärzten und damit auch die Patientenversorgung ist damit in Frage gestellt.
Was zu tun ist und was den Versorgern geraten werden kann
Antworten können nicht einseitig erfolgen, sie müssen vielmehr (alternativ) berücksichtigen:
- den derzeitigen (Ist-) Zustand der Versorgungssituation Dieser lässt sich kennzeichnen durch ein Versorgerspektrum, das einschließt Universitätskliniken, eine inzwischen bereits reduzierte Zahl von Krankenhäusern (Schließung und Insolvenzen) und zunehmende Leistungserweiterungen im ambulanten Bereich, vor allem durch eine zunehmende Zahl von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), aber auch durch Gesundheitszentren mit ambulanten und stationären Leistungserbringern.
- einen optionalen Zustand im Kontext der vorgesehenen Reformen des amtierenden Gesundheitsministers Es ist nicht annähernd abzuschätzen, was kommt oder nicht kommt. Selbst die vorgesehene Krankenhausreform ist noch nicht in trockenen Tüchern
Grundannahme für „gute“ Ratschläge
Sinnvollerweise kann somit nur von einer Grundannahme (des Autors) ausgegangen werde, wie Versorgung aus seiner Sicht zukünftig aussehen wird und welche Möglichkeiten für Aus- und Weiterbildung zukünftig bestehen werden. Diese beinhaltet:
- Die Zahl der Krankenhäuser mit Möglichkeit der Praktikantenausbildung und Weiterbildung wird sich weiter verringern.
- Vor allem in ländlichen Regionen werden kleinere Krankenhäuser geschlossen werden.
- Sie werden durch rein ambulante Strukturen ergänzt werden, ggf. auch über ambulante Einrichtungen mit eher vernachlässigbaren stationären Komponenten.
- Die Schließung von Arztpraxen wird zukünftig weiter zunehmen (altersbedingtes Ausscheiden der Praxisinhaber).
- Damit werden die Möglichkeiten für Praktikanten und Weiterzubildende in Arztpraxen eingeschränkt werden.
- Eine weitere Zunahme von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) ist absehbar (auch im Kontext der Aktivitäten privater Investoren).
- „Präventive Medizin“ wird „Kurative Medizin“ immer mehr ersetzen!
- Dies wird neue Wege in der Patientenversorgung erfordern.
Die Medizin wird noch weiblicher
Bedingt auch durch die voraussichtliche weitere Zunahme weiblicher Bewerber im Medizinstudium, werden sich zukünftig vermehrt Frauen um Praktikanten- und Weiterbildungsstellen bemühen.
Praktische Tipps für Versorger zur Gestaltung der Rahmenbedingungen für zukünftige Aus- und Weiterbildung Berücksichtigen Sie vor allem:
- weibliche Bewerber werden sich zunehmend bei Ihnen bewerben. Dieser Situation müssen Sie unbedingt Rechnung tragen.
- Versuchen Sie außerdem (wenn dies auch bei zunehmendem Ärztemangel schwierig sein wird) Arbeitsbedingungen zu schaffen, die ärztliche Tätigkeit mit Familie und Freizeit kompatibel machen.
- Sorgen Sie dafür, dass Sexismus bei Ihnen nicht vorkommt. Immer häufiger wird von weiblichen Praktikanten und Ärztinnen über die Belästigung, vor allem durch Vorgesetzte, (auch Chefärzte) geklagt.
- Lassen Sie nicht zu, dass die Arbeit des weiblichen ärztlichen Nachwuchses durch fehlgeleitete „Öffentlichkeitsarbeit“ herabgesetzt wird (zum Beispiel.: „Frauen sind für Chefarztstellen nicht geeignet, wir brauchen kernige Männer“).
- Fördern Sie Ärztinnen in Bezug auf die spätere Wahrnehmung von Führungspositionen. Dies ist eine gute Sache. Es steht inzwischen außer Zweifel, dass Frauen gut kommunizieren, fundiert managen und auch hervorragende Arbeit in operativen Bereichen leisten können. Ob sie insgesamt „besser“ als Männer sind, ist nicht belegt. Dies spielt auch keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Patienten gut versorgt werden!
- Ansonsten versuchen Sie Aus- und Weiterbildung nach den Grundsätzen zu gestalten, wie sie der Autor bereits breit für die Chirurgie dargelegt hat.
- Berücksichtigen Sie unbedingt, dass Präventive Medizin unsere Gesundheitsversorgung zukünftig dominieren wird, tragen Sie dieser Veränderung (wenn möglich) in Bezug auf die auszuwählenden Inhalte in Aus- und Weiterbildung Rechnung.
Was der eine bekommt, soll auch der andere erhalten- Praktische Tipps für Bewerber
- Berücksichtigen Sie vor allem: Maximalforderungen in der derzeit katastrophalen Situation sind nicht zielführend. „Alle müssen sich nach der Decke strecken“, das gilt auch für Aus- und Weiterzubildende!
- Orientieren Sie sich in Bezug auf die Rahmenbedingungen im PJ und der Weiterbildung an den grundsätzlichen Forderungen des Autors für den Bereich Chirurgie. Reflektieren Sie diese aber angemessen und denken Sie daran, dass diese eher „idealtypisch“ (vor allem im Hinblick auf eine ausgewogene Betreuungssituation) ausgerichtet sind. Entsprechend gute Möglichkeiten sind derzeit in den Kliniken kaum vorhanden.
- Eruieren Sie vor allem, ob das Lehrpersonal für das PJ und die Weiterbildung „Lehrkompetenz“ aufweist. Fachkompetenz ist gut. Sie alleine genügt jedoch nicht, um den Lehrstoff adressatengerecht vermitteln zu können.
- Der ärztliche Nachwuchs fokussiert zunehmend auf die Übernahme weniger Verantwortung. Insoweit ist die Übernahme von Einzelpraxen meist nicht gewünscht. Bevorzugt wird die Tätigkeit im Angestelltenverhältnis in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Dies könnte auch für Sie gelten. Nutzen Sie deshalb gegebenenfalls die Möglichkeit, 1 Tertial Ihres PJ in einem MVZ oder auch in einer Einzelpraxis (sofern Sie hier eine Möglichkeit haben sollten) abzuleisten.
- Prüfen Sie, ob die Aus- beziehungsweise Weiterbildung auf Fragen der präventiven Medizin ausgerichtet ist. Präventive Medizin wird in der Gesundheitsversorgung zukünftig, und damit auch in Ihrer späteren ärztlichen Tätigkeit, eine entscheidende Rolle spielen!
Der Autor Prof. Dr. habil. Wolfgang Hellmann ist Professor der Hochschule Hannover, Gründer des „Studienmodells Hannover für Berufe im Gesundheitswesen“, der „Akademie für Management im Gesundheitswesen e.V.“ und Leiter des Studienprogramms „MHM®- (Medical Hospital Management) für ärztliche Führungskräfte“ mit erfolgter Umsetzung an den Hochschulen Hannover, Neu-Ulm und Osnabrück. Arbeitsschwerpunkte sind: Krankenhausmanagement, Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Gebieten, Förderung des ärztlichen Nachwuchses und Patientensicherheit. Niederschlag finden diese in einer Fülle von Herausgeber- und Autorenwerken, aktuell unter anderem repräsentiert durch die Buchreihe „Kurswechsel Patientenversorgung für neue Herausforderungen positionieren“ und „Kompaktwissen Patientensicherheit – ein Lehrbuch für Studierende und Praktiker” (alle: mgo fachverlage GmbH & Co KG, Kulmbach).
Einen weiteren spannenden Beitrag von Prof. Dr. Hellmann findest du hier.