„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”. Dies gilt auch für den Hype um Führung. Immer neue Vorschläge (Führung für die Digitalisierung, Gesunde Führung, Führen auf Distanz) vernebeln den Blick auf das primär Wichtige. Auch anders ausgedrückt: In Zeiten zunehmenden Mangels an Ärzten und Pflegekräften muss die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern primäre Aufgabe der Führungskräfte sein. Fehlen die Mitarbeiter, wird das Nachdenken über neue Führungsstrategien obsolet. Ein Fachbeitrag von Prof. Dr. habil. Wolfgang Hellmann.
Die grundsätzliche Aufgabenverteilung
Gefragt ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und leitenden Ärzten, also Chefärztinnen und Chefärzte. Aufgabe der Geschäftsführung ist vor allem die Darstellung des Unternehmens in einer übergreifenden Sicht mit dem Fokus auf die Rolle des Unternehmens als guter Arbeitgeber mit hoher Expertise für die Patientenversorgung. Die Rekrutierung von Mitarbeitern mit spezifischer Ausrichtung auf die jeweils besonderen Erfordernisse von Fachabteilungen ist Aufgabe des Chefarztes. Nur er kennt detailliert die Bedingungen in seiner Abteilung, hat einen Überblick über die Möglichkeiten für die Betreuung von Praktikanten und Weiterzubildenden, aber natürlich auch die Kenntnisse zur medizinischen Expertise seiner Mitarbeiter. Gerade dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen, er ist Grundlage für ziel- orientierte Aus- und Weiterbildung im Kontext des (meist) angestrebten Facharztabschlusses.
Die Grundlagen für eine erfolgreiche Rekrutierung von Mitarbeitern
Der Chefarzt muss über die Bedürfnisse und Forderungen der jungen Generationen informiert sein, also wissen, wie diese „ticken“. Dies gilt gleichermaßen für Bewerber aus anderen Kulturkreisen. Er sollte auch ein modifiziertes Rollenverständnis mitbringen, weg von hierarchischem Denken hin zu kooperativer Zusammenarbeit. Dies gilt im Hinblick auf neue Patienten- und Mitarbeiterklientele gleichermaßen.
Was erwarten die („neuen“) Mitarbeiter?
- Transparenz bei allen wesentlichen Entscheidungen
- Kollegiale (und nicht hierarchische) Führung
- Identische Wertschätzung von allen Mitarbeitern, ungeachtet der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturkreis l Offene Karrierewege
- Eine gute Abteilungsführung mit dem Ergebnis guter Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen, insbesondere mit der Pflege
Merke: Diese Forderungen sollten erfüllt werden. Letztendlich geht es den Mitarbeitenden um „Mitarbeiterzufriedenheit“. Diese muss auch Ziel des Krankenhauses sein. Nur zufriedene Mitarbeiter können Patienten gut versorgen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Zukunftssicherung des Krankenhauses leisten.
Was erwarten die („neuen“) Patientenklientele?
Hier könnte man einwenden, dass die Erwartungen von Patienten im Hinblick auf die Rekrutierung von Mitarbeitenden keine Relevanz hat. Dies ist aber natürlich nicht so. Für die Entscheidung zur Tätigkeit in einer bestimmten Klinik möchten die Bewerber schon wissen, ob der Chefarzt den Bedürfnissen seiner Patienten Rechnung trägt. Dies ist für sie wichtig, sie wollen ja bei einem „guten Arzt“ lernen und arbeiten!
Davon ausgehend, dass zunehmend alte (multimorbide) und gut informierte Patienten die zentral wichtigen Adressatengruppen sind, ergibt sich: Alte Patienten bedürfen einer besonderen Art der Kommunikation. Sie sind häufig sehr krank, haben oft eine gestörte Wahrnehmung und hören meist nicht gut. Auf diese Gegebenheiten muss sich der behandelnde Arzt einstellen können. Gut informierte („mündige“) Patienten nehmen zu, dies ergibt sich vor allem aus dem Zugang zu den sozialen Medien. Sie erwarten eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Arzt und wollen somit nicht bevormundend behandelt und an der Hand geführt werden. Der Wunsch nach einer Einbindung in den Entscheidungsprozess bei der Auswahl einer Therapie (PEF-Partizipative Entscheidungsfindung) ist häufig.
Merke: Analog zu den Bedingungen für Mitarbeitende, geht es um die Herstellung von „Patientenzufriedenheit“. Kann der Arzt diese nicht erreichen, wird sich dies herumsprechen und sich auf das Image der Fachabteilung und des Krankenhauses negativ auswirken.
Magnetwirkung der Chefärzte: Erfolgreiches Rekrutierungs- und Bindungsinstrument
Das Erreichen einer Magnetwirkung (im Sinne einer „Marke Chefarzt“) ist von Fähigkeiten und Eigenschaften abhängig, wie sie bei Ärzten der jüngeren Generation schon häufiger beobachtet werden können. Dies zeigen Erfahrungen des Autors in dem von ihm entwickelten Weiterbildungsstudium für leitende Kranken- hausärzte „MHM®-Medical Hospital Management“ (Hochschule Hannover). Sofern Sie selbst eine Magnetwirkung erzielen beziehungsweise als Marke wahrgenommen werden wollen, reflektieren Sie bitte Ihre Fähigkeiten, in dem Sie die nachfolgenden Fragen im Sinne einer Checkliste „abhaken“.
Checkliste
- Profitiert die Abteilung von meiner medizinischen Expertise?
- Sind meine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse ausreichend?
- Praktiziere ich Transparenz, kollegiale Führung und Teamarbeit?
- Bin ich ein Vorbild für die Mitarbeiten- den, auch im Sinne des Vorhandenseins von Managementkompetenzen und ausgeprägtem Sozialverhalten?
- Bin ich auf die neuen Patientenklientele eingestellt und damit vor allem fähig, auch situativ Entscheidungen treffen zu können?
- Bin ich bereit, „offene“ Karrierewege zu fördern (soweit dies unter den schlechten Rahmenbedingungen derzeit möglich ist)?
- Besteht Bereitschaft, neue technische Innovationen wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) in die eigene medizinische Strategie zu integrieren?
Sofern Sie diese Fragen positiv beantworten können, steht einem gezielten und voraussichtlich erfolgreichen Abteilungsmarketing durch Sie für die Rekrutierung von ärztlichen Mitarbeitenden nichts im Wege. Sie können jetzt (zufrieden) feststellen: „Es gibt einen Grundsatz für gutes Marketing. Dieser lautet: Marketing muss halten, was es verspricht. Diesem folge ich mit der Aussage: Mein Marketing hält, was es verspricht!“ Wäre dies nicht der Fall, würde sich dies schnell herumsprechen, Bewerber würden ausbleiben.
Praxistipp
Lassen Sie sich nicht durch immer weitere sogenannte „innovative Führungsmodelle“ irritieren. Diese stellen häufig nur auf den Wunsch von Beratern ab, sich neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Dies ist verständlich, dem Krankenhaus aber nicht immer nützlich. Gehen Sie vielmehr davon aus, dass „alte und bekannte Tugenden und Grundsätze von Führung“ nach wie vor gelten, aber durchaus kontinuierlich der Ergänzung bedürfen (zum Beispiel bei veränderten Rahmenbedingungen wie durch die Digitalisierung). Wenden Sie hier das Prinzip des „Additiven Managements“ an.
Autor Prof. Dr. habil. Wolfgang Hellmann ist Gründer des Studienmodells Hannover für Berufe im Gesundheitswesen, der Akademie für Management im Gesundheitswesen e.V. und Leiter des Studienprogramms MHM® (Medical Hospital Management) für ärztliche Führungskräfte mit erfolgter Umsetzung an den Hochschulen Hannover, Neu-Ulm und Osnabrück.
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