Die Psyche des Personals im Gesundheitswesen wird oft stark strapaziert. Während sie sich um unsere Gesundheit kümmern, bleibt ihre eigene oft auf der Strecke. Die studentische Initiative Blaupause hat sich diesem Thema angenommen und hilft dem Pflegepersonal, wie das Pflegepersonal uns hilft – gewissenhaft und mit Leidenschaft zu ihrem Tun.
Blaupause – Initiative für mentale Gesundheit im Gesundheitswesen e.V. ist ein junger Verein, dessen Mitglieder mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein für ein Thema schaffen möchten, welches uns alle betrifft und dennoch viel zu selten offen angesprochen und angegangen wird – mentale Gesundheit im Gesundheitswesen. Bei Blaupause spricht man genau darüber und setzt sich für das ein, was in der Gesellschaft, insbesondere auch Gesundheitsprofessionen, größtenteils ein Tabu-Thema ist.
Blaupause wurde 2018 von einer Hand voll motivierter junger Menschen gegründet, Vorsitzende des Vereins sind die Gründungsmitglieder Felix Radtke und Katharina Eyme. Inzwischen besteht der Verein aus verschiedensten Arbeits- und Lokalgruppen. In einem interdisziplinären Team arbeiten die Mitglieder auf das gleiche Ziel hin.
Ob Medizinstudierende, Ärzt:innen, Psycholog:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen oder andere „Helfende” – oft vergessen sie neben der Gesundheit ihrer Patient:innen die eigene mentale Gesundheit. Selten suchen sich betroffene Profis Hilfe, obwohl dies von großer Bedeutung wäre. Die Relevanz dieser Thematik geht auch aus Studien hervor. Ein Beispiel ist die Metaanalyse von Mata et al. (2015).
Blaupause hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf das Thema mentale Gesundheit im Gesundheitswesen aufmerksam zu machen, Verständnis und Bewusstsein in diesem Bereich zu stärken, aber auch Leitfäden und Hinweise für das eigene Verhalten an die Hand zu geben.
Was heißt das nun konkret?
Auf das Thema mentale Gesundheit im Gesundheitswesen macht Blaupause durch Öffentlichkeitsarbeit, unter anderem in sozialen Medien aufmerksam. Dabei sind sie auf Twitter, LinkedIn, Facebook, Instagram sowie auf Fachkongressen, Aktionstagen und bei Einführungsveranstaltungen an Universitäten vertreten. Das Ziel ist, Menschen dazu zu bewegen, sich mehr mit dem Thema mentale Gesundheit auseinanderzusetzen und dieses Thema nicht nur aus seiner Tabu-Position herauszumanövrieren, sondern auf eine aktive Förderung der mentalen Gesundheit und die Prävention psychischer Erkrankungen hinzuarbeiten. Denn mit dem Überschreiten von Grenzen sowohl der psychischen als auch der physischen Belastbarkeit riskiert ein:e Jede:r die mentale Gesundheit. Eine Blaupause-Themenwoche befasst sich mit „Grenzen setzen“. Regelmäßig neuer Input in Form kleiner prägnanter Listen und Beispiele soll dabei helfen herauszufinden, wann man Grenzen setzen sollte und wie man dies am besten umsetzt, um sich somit selbst nicht zu überlasten.
Ein wichtiger Aspekt der Arbeit bei Blaupause ist also auch, Konkretes an die Hand zu geben, was vor allem im Rahmen von Präventionsprojekten verwirklicht wird. Beispiele hierzu wären die „Going Home Checklist“ oder die „Pocket Cards“. Erstere hilft dabei, nach der Arbeit abzuschalten. Diese lässt sich ausdrucken und beinhaltet sechs Punkte zum Abhaken wie beispielsweise das Wertschätzen, bei dem man sich drei Dinge ins Bewusstsein holt, die an diesem Arbeitstag gut gelaufen sind.
Die Entstigmatisierung in Bezug auf psychische Erkrankungen ist ein weiterer Aspekt, der Blaupause am Herzen liegt. Sowohl Wissensvermittlung als auch Kontakt zu Personen mit psychischen Erkrankungen können zur Reduktion des Stigmas beitragen (Corrigan und Rüsch 2002). Beides wird bei Blaupause gefördert. Das Forum dient zum (anonymen) Austausch von Betroffenen und schafft dadurch ein Gefühl von Unterstützung und Verständnis. Blaupause-Leuchtturmprojekte sind Interviews mit Betroffenen im Format „5 vor 12“, in denen darüber gesprochen wird, was für die Befragten mentale Gesundheit bedeutet, was dies mit ihrem Beruf zu tun hat und vieles mehr.
Erfahrungen und Bereicherungen durch das Ehrenamt bei Blaupause:
Bei Blaupause kommen Menschen sowohl in bundesweiten Teams als auch in Lokalgruppen zusammen, die sich für das Thema mentale Gesundheit im Gesundheitswesen interessieren und sich aktiv dafür einsetzen möchten. Erfahrungen zu Arbeitsprozessen im interdisziplinären Team können auch auf die Zusammenarbeit am Arbeitsplatz übertragen werden. Durch die Teamarbeit bekommt man verschiedene Perspektiven und Blickwinkel nahegebracht und sammelt Denkanstöße für Verbesserungen oder Veränderungen.
Die Mitarbeit in der Initiative verdeutlicht nochmals, dass über psychische Erkrankungen und mentale Gesundheit oft nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird und häufig gerade auch die, die am meisten betroffen sind, am wenigsten Energie übrighaben, um sich für sich selbst einzusetzen. Zu persönlichen Erfahrungen gehören neben dem wachsenden Bewusstsein für die eigene mentale Gesundheit und die des Umfeldes dann auch die Realisation dessen, was man alles gemeinsam bewegen kann. Es tut gut zu spüren, wenn Menschen auf mentale Gesundheit aufmerksam gemacht, dafür sensibilisiert und dazu anregt werden, mentale Gesundheit selbst zu praktizieren.
Auch zwischenmenschlich gibt es in diesem Ehrenamt viele Gewinne. Diese reichen von persönlicher Wertschätzung, beispielsweise durch positives Feedback hin zu Networking-Möglichkeiten. Außerdem bieten Vorträge vor der Gruppe die Möglichkeit, selbstbewusstes Auftreten zu optimieren.
Es wird auch immer neues Wissen über ehrenamtliche Arbeit an sich gesammelt. Dazu gehört es, Menschen im Rahmen ehrenamtlicher Arbeit zu motivieren, zur bestmöglichen Arbeitsgestaltung zu bewegen, notwendige und hilfreiche Strukturen zu erkennen oder produktive Ideen zu generieren.
Zudem gibt es natürlich stets Verbesserungspotential. So müssen auch Blaupause-Mitglieder ein Auge auf die eigene mentale Gesundheit haben und lernen, sich auch mal von dem Gefühl der persönlichen Verantwortung zu distanzieren. Auch die Anregung zu genügend Eigeninitiative kann von Zeit zu Zeit eine Herausforderung darstellen. Dabei helfen dann wertschätzende Kommunikation und gegenseitige Motivation, um gemeinsam zu wachsen – für das gemeinsame Ziel. Oder wie es ein Blaupause-Mitglied formuliert:
„Außerdem finde ich es heilend, aus dem Leiden etwas Positives zu erschaffen. Aus der Ohnmacht herauszukommen und das Problem anzupacken Am schönsten ist es glaube ich für mich, wenn jemand Blaupause kontaktiert, weil derjenige oder diejenige aus den gleichen Gründen gegoogelt hat, wie ich früher einmal, nur habe ich damals nichts gefunden – für andere sind wir mit Blaupause jetzt eine Anlaufstelle. Das macht mich jedes Mal so glücklich.“
Referenzen
Corrigan, Patrick W.; Rüsch, Nicolas (2002): Mental Illness Stereotypes and Clinical Care: Do People Avoid Treatment Because of Stigma? In: Psychiatric Rehabilitation Skills 6 (3), S. 312–334.
Mata, Douglas A.; Ramos, Marco A.; Bansal, Narinder; Khan, Rida; Guille, Constance; Di Angelantonio, Emanuele; Sen, Srijan (2015): Prevalence of Depression and Depressive Symptoms Among Resident Physicians: A Systematic Review and Meta-analysis. In: JAMA 314 (22), S. 2373–2383.
Sonja Steltmann (geboren 1998) schreibt zurzeit ihre Bachelorarbeit in Psychologie und hat bereits verschiedene Praktika im Bereich klinische Psychologie absolviert. Sie sieht auch in sportlicher Betätigung einen Baustein für Psychische Gesundheit und gibt daher in ihrer Freizeit Kickbox-Training, um andere zu motivieren.