Flying Health sieht sich als ein „Ökosystem für die Gesundheitsversorgung der Zukunft – Partner, Wegbereiter und Netzwerk”. Man baue Brücken zwischen Start-ups, Gesundheitswirtschaft und relevanten Stakeholdern und verbinde langjährige Beratungskompetenz mit zukunftsorientierter Trendforschung, die es ihren Partnern ermögliche, die Lücke zwischen Gesundheitsversorgung und technologischem Fortschritt zu schließen. Wir wollten wissen, welche Trends die Zukunft der Gesundheitswirtschaft dominieren werden.
Ein Essay von Laura Wamprecht.
In jedem Wandel steckt eine Chance für diejenigen, die Lust haben zu gestalten, statt nur zu ertragen. Doch aktuell hört man im Krankenhausumfeld vor allem diejenigen, die ertragen. Dabei sind viele Kritikpunkte an der Krankenhausreform, unzureichender Finanzierung, insbesondere durch die Länder, der fehlende Inflationsausgleich oder nur zeitlich begrenzte Förderprogramme wie das Krankenhauszukunftsgesetz in vielen Aspekten gerechtfertigt.
Doch während diese Themen mit vielen Ressourcen im Hier und Jetzt diskutiert werden, dreht sich die Welt weiter und Kliniken, die sich nicht trauen, darüber hinaus eine strategische Ausrichtung zu entwerfen, werden sich nur von Problem zu Problem hangeln, statt proaktiv auf ein Zielbild hinzuarbeiten. Dabei gibt es drei Bereiche, die unser Gesundheitssystem in den nächsten 10 Jahren zu einem tiefgreifenden Transformationsprozess zwingen werden.
Diese Bereiche sind die Demografie als schmerzvollster Treiber für Veränderung, technologischer Wandel, der auch viel Lösungspotenzial bieten kann und die Nachhaltigkeit, die als Mindset ebenfalls dazu führen kann, eine ökologisch, sozial und ökonomisch erstrebenswerte Zukunft zu entwickeln.
Demografie: Lösungen finden statt ohnmächtig die Flinte ins Korn werfen
Der demografische Wandel und seine Auswirkungen sind allen bewusst – mag man meinen. Doch häufig bleibt die Diskussion sehr high-level: „weniger Personal, mehr Patient:innen“. Doch das ist selten hilfreich für die strategische Ausrichtung eines Krankenhauses – das Problem bleibt abstrakt und wirkt schnell unbeherrschbar. An dieser Stelle können sich Führungskräfte entscheiden, ob sie kapitulieren und den Wandel ertragen, oder in einen strategischen Lösungsmodus gehen.
Im Rahmen der Healthcare Hackathons an den Universitätskliniken Greifswald, Oldenburg und Mainz wurde eine Challenge ins Leben gerufen, die das Ziel hat, das Demografie-Problem beherrschbar zu machen: für einzelne Abteilungen eines Klinikstandortes werden spezifische Prognosen erstellt – sowohl für den Versorgungsbedarf in der Bevölkerung im Einzugsgebiet als auch für das Personal der einzelnen Kliniken und Abteilungen. Diese detaillierte und standortspezifische Analyse soll es dem Klinikmanagement ermöglichen, passgenaue Lösungen zu finden und zu priorisieren.
Nicht jede Abteilung ist gleichermaßen betroffen, manches lässt sich durch bessere Nutzung von zum Beispiel Telemedizin gut abfedern, in anderen Abteilungen wird der Versorgungsbedarf sinken und in manchen braucht es doch umfassenden Personalaufbau. Das Problem ist nicht weg – aber es erschlägt nicht mehr, sondern wir messbar und damit managebar.
Technologie: Datenbasiert und technologisch empowered – die digitale Zukunft nach dem KHZG
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen geschieht angelehnt an Daniel Kahnemanns Buchtitel „Thinking, Fast and Slow“ sowohl schleichend langsam als auch an manchen Stellen plötzlich schnell. Mit dem KHZG werden viele überfällige Investitionen getätigt und in manchen Regionen wie beispielsweise Bayern werden sogar einrichtungsübergreifende Strukturen geschaffen. Wir alle wissen, das Brett, das hier gebohrt wird, ist dick und teuer.
Für die strategische Ausrichtung ist es wichtig, sich vom Status Quo nicht im Weiterdenken bremsen zu lassen, sondern ein Bild davon zu entwickeln, auf welcher technologischen Basis man in den kommenden Jahren aufsetzen können wird und welche Möglichkeiten sich dann ergeben, um andere Probleme zu lösen. Ein Beispiel ist die Nutzung künstlicher Intelligenz. Abseits des Hypes experimentieren Unternehmen und Organisationen mit den zur Verfügung stehenden Tools, wie sie diese auch in ihrem Kontext für mehr Effizienz und bessere Ergebnisse nutzen können. Auch im Krankenhaus ist das Potenzial groß. Dabei geht es nicht nur um Decision Support in der Radiologie oder die Vorformulierung von Arztbriefen.
Ein Projekt zwischen dem Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme (IKS), ATOSS Software und der Universitätsmedizin Mainz hat das Ziel, eine KI-gestützte Vorhersage des Personalbedarfs im Rahmen der Dienstplanung zu entwickeln. Während erfahrene Pflegedienstleitungen den komplexen Prozess sehr gut beherrschen, tun sich weniger erfahrene KollegInnen schwerer.
Gleichzeitig steigen mit der PPR2.0 und Co. die regulatorischen Anforderungen. Die KI soll helfen, die Dienstpläne besser mit den vorhandenen Ressourcen, dem prognostizierten Bedarf, den Wünschen der MitarbeiterInnen und der Regulatorik in Einklang zu bringen. Zunächst wurden historische Belegungsdaten der UM Mainz Softwareentwicklern und KI-Experten zur Verfügung gestellt, um die KI zu trainieren, den Personalbedarf in Zukunft vorhersagen zu können. Ein erster Proof of Concept wurde bereits entwickelt. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie moderne Technologien einen Beitrag dazu leisten können, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern.
Nachhaltigkeit: ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiges Handeln als strategische Klammer für Krankenhäuser
Als dritte Herausforderung wird das Thema Nachhaltigkeit immer präsenter. Insbesondere die gestiegenen Energiekosten, oder regulatorische Anforderungen wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund der Corporate Social Responsibility Directive der EU haben bei vielen Kliniken das Thema Nachhaltigkeit kurzfristig auf die Agenda gesetzt.
Aber wer verfolgt Nachhaltigkeit wirklich als strategisches Ziel?
Bisher sind es wenige. Manche Kliniken stöhnen unter der Last, dieser weiteren Herausforderung, die ebenfalls mit Investitionskosten verbunden ist. Doch mit dem Mindset lässt sich selten die Zukunft gestalten. Führungskräfte sollten eher das Potenzial erkennen, das in einem ganzheitlichen Verständnis von Nachhaltigkeit liegt. Nachhaltigkeit bedeutet verantwortungsvoll und effizient mit Ressourcen umzugehen – sowohl den menschlichen, den finanziellen und dem Materialeinsatz sowie Energieverbrauch. Die MitarbeiterInnen und PatientInnen werden es Ihnen danken, ebenso wie Umwelt. Und Lösungsansätze finden sich bei den
Technologieanbietern, die zum Beispiel Transparenz über den Verbrauch schaffen, oder Personalressourcen effizienter allokieren können etc. So gibt es bereits spezialisierte Unternehmen wie GreenTec Dialysis, die sich darauf spezialisiert haben, Dialyse nachhaltiger zu machen, in dem über modernen Technologien Energie- und Wasserverbrauch optimiert werden.
Es wird Zeit, Richtung Zukunft zu blicken:
Wer diese drei Herausforderungen integrativ betrachtet, wird darin auch viel gegenseitiges Lösungspotenzial erkennen. Möglichkeiten gibt es viele, man muss nur anfangen sie zu entdecken.
Laura Wamprecht ist Geschäftsführerin bei Flying Health – dem Ökosystem für die Gesundheitsversorgung der Zukunft. Die Biochemikerin stieß bereits 2015 als erste Mitarbeiterin zum Team hinzu und konnte durch die enge Zusammenarbeit mit führenden Akteuren der Gesundheitswirtschaft und den darin eingebundenen Start-ups einen breiten Marktüberblick über die noch junge Branche der digitalen Medizin im In- und Ausland, Markteintrittsstrategien und Digital-Health-Produkten in ganz Europa gewinnen.