Viola Merk studiert Humanmedizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und hat dort die Vorklinik und Klinik absolviert. Das erste Tertial ihres Praktischen Jahres absolvierte sie am Universitätsklinikum des Saarlandes in der Klinik für Augenheilkunde. Wie ein PJ in der Augenheilkunde ablaufen kann, kannst du in ihrem Erfahrungsbericht nachlesen, damit auch du sehenden Auges ins PJ gehen kannst.
Wieso haben Sie Ihr PJ-Tertial an einer Uniklinik absolviert?
Bedingt durch die Corona-Pandemie sind leider viele Praktika während des klinischen Abschnitts des Studiums ausgefallen. Daher stand für mich fest, dass ich während des PJs eine möglichst große Bandbreite sehen möchte. Bezogen auf die Augenheilkunde wollte ich ein großes Spektrum an Krankheitsbildern kennenlernen und insbesondere einen Einblick in die Behandlung von komplizierteren Fällen, wie sie nur in Unikliniken zu finden sind, bekommen. Auch eine gute Lehre, die ich bereits in einer absolvierten Famulatur in der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums des Saarlandes erlebt habe, war sehr wichtig für mich.
Wie sieht ein typischer Alltag aus?
Der Tag beginnt für alle um 7:30 Uhr mit der online Frühbesprechung. Hier werden interessante Fälle vorgestellt und diskutiert sowie Fortbildungen gehalten. An bestimmten Tagen findet zum Beispiel eine Fortbildung zum Thema Netzhaut oder Neuroophthalmologie statt. Die Frühbesprechung ist immer sehr lehrreich. In diesem Rahmen erhielt ich die Gelegenheit, einen Artikel über die okulären Manifestationen von systemischem Lupus erythematodes vorzustellen. Nach der Frühbesprechung geht der Tag abhängig vom Einsatzbereich weiter und endet in der Regel gegen 16:30 Uhr.
Direkt zu Beginn des Tertials habe ich einen Rotationsplan mit den zu besuchenden Abteilungen und den dazugehörigen Lernzielen bekommen. Diese feste Struktur hat mir gut gefallen und bot einen orientierenden Rahmen, um in meiner Zeit in der Augenheilkunde möglichst viele Inhalte kennenzulernen. Auch wurde mir ein Mentor zur Seite gestellt, der mir die Klinik zeigte, bei organisatorischen Sachen half und während meines PJs mein Ansprechpartner war.
In den ersten vier Wochen des PJs war ich in der Ambulanz. Neben Anamneseerhebung und Visusbestimmung habe ich gemeinsam mit einer Assistenzärztin oder einem Assistenzarzt die Grundlagen der Untersuchung erlernt. Dies sind die Untersuchung an der Spaltlampe, Augendruckmessung und das Funduskopieren. Anfangs habe ich versucht, die Befunde der Ärztin/ des Arztes nachzuvollziehen. Später habe ich die Untersuchungen selbst durchgeführt und dann zusammen mit der Ärztin oder dem Arzt ermittelt, ob ich alles entdeckt und richtig beschrieben habe. Ich habe gelernt, welche Diagnostik bei welcher Erkrankung durchgeführt wird und wie diese ausgewertet wird. Insbesondere am Anfang war meine Lernkurve sehr steil und im Laufe der Zeit durfte ich immer eigenständiger unter Supervision arbeiten.
Auch die Arbeit mit einer Ärztin oder einem Arzt in der Notaufnahme hat mir sehr gut gefallen. Dort habe ich viele Krankheitsbilder und ein großes Krankheitsspektrum gesehen, von trockenen Augen über Bindehautentzündungen bis hin zu Transplantatabstoßungen, Netzhautablösungen oder einem Zentralarterienverschluss. Eine schnelle Diagnostik und Therapie können hier das Augenlicht retten.
Anschließend folgten vier Wochen auf der Station. Hier sind drei Assistenzärzte für 35 Patienten zuständig. Nach der Frühbesprechung werden alle Patienten voruntersucht und dann dem zuständigen Oberarzt oder dem Chefarzt vorgestellt. Meine Aufgaben waren unter anderem bei den täglichen Entlassungen und Aufnahmen zu helfen, da viele Patienten nur kurz bleiben. Wenn es die Kapazitäten zuließen, habe ich Patienten zur Übung untersucht, mit den Ärzten interessante Fälle besprochen oder habe mir im OP etwas Spannendes angeschaut.
In der Sektion KiOLoN (Kinderophthalmologie, Orthoptik, Low Vision und Neuro-Ophthalmologie) verbrachte ich ebenfalls vier Wochen. Die ersten Tage hier habe ich bei den dort arbeitenden Orthoptistinnen und Orthoptisten hospitiert, die die Patienten ausführlich untersuchen und mir viel erklärt haben. Besonders spannend fand ich zum Beispiel, wie mit einfachen Tests ein Schielen aufgedeckt werden kann oder ein Ausgleich mit Prismengläsern erreicht werden kann.
Auch sehr interessant fand ich die Fälle der neuroophthalmologischen Patienten aufgrund der interdisziplinären Zusammenarbeit mit der Neurologie und anderen Abteilungen. Des Weiteren habe ich das Frühgeborenen-Screening in der Kinderklinik begleiten dürfen. Einige Wochen nach der Geburt werden die Frühgeborenen funduskopisch untersucht. Dies war für mich eine der beeindruckendsten Erfahrungen.
Mittwochs ist OP-Tag der Abteilung. Dann werden bei Kindern und Erwachsenen zum Beispiel Schiel- oder Ptosis-OPs durchgeführt und Gerstenkörner entfernt. Nachdem ich die ersten Wochen zugeschaut habe, erhielt ich die Chance, bei einigen OPs zu assistieren. Insgesamt hat mir die Zeit in dieser Abteilung sehr gut gefallen, auch wenn die Schicksale der Patienten, insbesondere die der Kinder oder der Kopftumorpatienten, teilweise sehr schwer sind.
Für den OP waren zwei Wochen eingeplant. Da ich mich sehr für den chirurgischen Bereich der Augenheilkunde interessiere, war ich schon vorher öfters parallel zur Station oder während meiner Zeit in der Sektion KiOLoN dort.
An OPs sind insbesondere die Hornhaut-OPs hervorzuheben. Am Hornhautzentrum Homburg wurden im Jahr 2022 insgesamt 678 Hornhauttransplantationen durchgeführt. Ich durfte bei einigen zuschauen und bekam sogar die Möglichkeit, in einem chirurgischen Kurs die Techniken der Keratoplastik an Schweineaugen zu üben. Ich kam zu dem Schluss, dass es sehr viel schwieriger ist, als es bei den Operateuren immer aussieht!
Auch Katarakt-OPs werden dort sehr häufig durchgeführt. Die Assistenzärzte und Assistenzärztinnen haben die Möglichkeit, an einem Simulator die Techniken der Kataraktoperation zu erlernen. An diesem konnte ich auch die Grundlagen des Operierens im Auge mit den speziellen Instrumenten ausprobieren.
Die Netzhaut-Chirurgie war sehr beeindruckend, da es sich bei diesen mikrochirurgischen Techniken teilweise nur um wenige Mikrometer handelt, die operiert werden. Bei kleineren Operationen, wie z. B. einer Pterygium-Entfernung, durfte ich im Verlauf ebenfalls assistieren und unter anderem Fäden abschneiden oder Knoten üben. Generell haben die Operateure sich immer gerne Zeit genommen und mir die Theorie der Durchführung der OPs erklärt und Fragen beantwortet.
Zum Schluss war ich in der Hornhautbank und Kontaktlinsenabteilung eingesetzt. Die Entnahmen der Hornhaut von den Spendern waren zu Beginn gewöhnungsbedürftig. Die Spenden stellen aber die Grundlage dar, anderen Patienten ein Wiedererlangen des Sehens zu ermöglichen und sind daher unglaublich wichtig. In der Hornhautbank werden unter anderem die Spenden aufbereitet, aufbewahrt und für die Operationen vorbereitet. In der Kontaktlinsenabteilung werden Kontaktlinsen zum Beispiel für Keratokonus-Patienten angepasst und können eine große Verbesserung des Visus für den Patienten bedeuten.
Welche positiven und welche negativen Eindrücke haben Sie mitgenommen?
Als positiven Aspekt möchte ich insbesondere die gute Integration hervorheben. Von Beginn an war ich Teil des Teams, wurde in allen Abteilungen in die Arbeit und Abläufe mit eingebunden und durfte viel eigenständig machen. Insbesondere darin unterscheidet sich das PJ beispielsweise von Blockpraktika oder Famulaturen, in denen man eher nebenherläuft und sich teilweise nicht genug Zeit für Unterricht oder Erklärungen findet, da man nur kurz da ist. Auch die Lehre und die Organisation des Tertials waren an der Augenklinik des Universitätsklinikums des Saarlandes hervorragend.
Zu Beginn des PJs hat mich mein Mentor gefragt, ob ich Interesse an Forschung in der Augenheilkunde habe. Da ich dies sehr spannend finde und später forschend tätig sein möchte, habe ich zugesagt und es hat sich ergeben, bei einer Studie gemeinsam mit meinem Mentor und einem Oberarzt mitzuwirken. Für diese Chance bin ich sehr dankbar.
Hat Sie das Studium ausreichend auf die Praxis vorbereitet?
Durchaus. Die Theorie, welche man aus dem Studium mitbringt, kann man auf jeden Fall anwenden. Da sich in der Augenheilkunde viele Krankheitsbilder auch mit anderen Fachrichtungen überschneiden, kam mir mein Wissen aus beispielsweise den Bereichen der Inneren Medizin, Infektiologie, Neurologie und Pädiatrie zugute. Die Theorie der Augenheilkunde ist jedoch viel umfangreicher als der Stoff, den man im Studium gelernt hat. In meiner Zeit konnte ich unglaublich viel dazulernen, sowohl theoretisch aber auch insbesondere praktisch. Neben den speziellen Untersuchungsmethoden ist der tägliche Umgang im Patientenkontakt erstmal zu erlernen.
Wie sieht Ihr finales Fazit aus?
Mein PJ-Tertial in der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums des Saarlandes hat mich insgesamt in meiner Facharztwahl bestärkt. Alle meine Rotationen in den Abteilungen haben mir ungemein gefallen und das Tertial ging letztendlich schneller vorbei, als ich es mir gewünscht hätte.
Man sollte auf jeden Fall ein für sich spannendes Fach für sein PJ auswählen, möglichst viel aus der Zeit mitnehmen und es letztendlich natürlich auch genießen! Im PJ an einer Uniklinik erhält man einen sehr tiefen Einblick in jeden Bereich des Faches und weiß anschließend genau, ob es das Richtige für einen ist.
Hier geht es zu einem weiteren Erfahrungsbericht über das PJ, den du nicht übersehen darfst.