In einer aktuellen Dokumentation des Deutschen Ärztinnenbundes zeigt sich, dass es weiter keine Veränderung in der Anzahl der weiblichen Führungskräfte in Kliniken von 2019 bis 2022 gegeben hat: Auch 2022 liegt der prozentuale Anteil von Klinikdirektorinnen in 14 klinischen Fächern bei 13 Prozent. Deutliche Unterschiede ergeben sich zusätzlich in den einzelnen Fachbereichen, so dass in der Chirurgie nur 5 Prozent der Klinikdirektoren:INNEN weiblich sind. Der Anteil der Oberärztinnen hat sich von 31 Prozent im Jahre 2016 auf 37 Prozent im Jahre 2022 erhöht. Und auch hier gibt es deutliche Unterschiede in den einzelnen Fachbereichen: In der Frauenheilkunde arbeiten derzeit 66 Prozent Ärztinnen als Oberärztinnen, nur 19 Prozent der Klinikdirektorinnenstellen sind jedoch mit einer Frau besetzt.
Ein Beitrag von Dr. Petra Büchin, Dr. Sonja Mathes und Dr. Silke Habel vom Deutschen Ärztinnenbund e.V.
Seit Jahrzehnten wird vom Deutschen Ärztinnenbund intensiv daran gearbeitet, familienfreundliche Arbeitsbe- dingungen herzustellen. Ideen und Vorschläge wurden den Kliniken vorgestellt. Einiges davon findet sich bereits in der Umsetzung, vieles blieb jedoch aufgrund tradierter, geschlechterspezifischer Rollenbilder unserer Gesellschaft beim Alten.
Traditionellerweise werden Frauen in der Medizin eher Rollen zugesprochen, bei denen Familiengründung und Kindererziehung sehr große Räume einnehmen für Selbstbild und Selbstwert. Das hat oft in der Weiterbildung die ersten Auswirkungen. Gerade Corona hat die traditionelle Rollenverteilung wieder stärker werden lassen, was leider zu deutlich stärkerer Doppelbelastung der Ärztinnen geführt hat. Das ist dramatisch, weil gerade sie auch durch die Pandemie schon in ihrer Arbeit stark belastet waren. Problematisch ist es auch, dass Schwangere während der Pandemie ab dem ersten Tag der Schwangerschaft in ein Beschäftigungsverbot geschickt wurden – und so volle neun Monate ihre Weiterbildung nicht fortführen konnten. In chirurgischen Fächern war zuvor durch Auflagen des Regierungspräsidiums oft ein Arbeiten im OP nicht mehr möglich, so dass notwendige Eingriffe für den Facharztkatalog nicht durchgeführt werden konnten und die eigene persönliche fachliche und praktische Expertise, die sich nur durch die Häufigkeit des Einsatzes im OP bildet, nicht erweitert werden kann.
Auch die Verteilung der Erziehungs- und Betreuungsarbeit ist noch immer asymmetrisch zwischen Müttern und Vätern verteilt. Mehr als die Hälfte aller Ärztinnen reduzieren die Arbeitszeit, um, wie von ihnen erwartet, Zeit für die Kinderbetreuung und den Haushalt zu haben. Teilzeitarbeit heißt oft Spagat zwischen Arbeit, Familie, Karriere und dem eigenen Ich.
Nachweislich werden selbst in Familien, in denen sich beide Eltern partnerschaftlich der Kinderbetreuung und dem Haushalt widmen, die Aufgaben mit größerem Mentalload von den Frauen übernommen.
Im weiteren Verlauf von Karrieren spielen diese Entscheidungen eine große Rolle, was als „Karriere-Knick“ bezeichnet wird. In den letzten Jahren hat sich etwas getan. Durch Umdenken in den Köpfen, teils auch politische Maßnahmen, ergeben sich größere Handlungsspielräume. Das Anrecht auf einen Teilzeitarbeitsplatz (sofern dem betriebliche Gründe nicht entgegenstehen) und die über 200 verschiedenen Teilzeitmodelle, die das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vorsieht, sind hier wichtige Punkte. Alles zusammen ermöglichte es, dass es mittlerweile mehr weibliche Führungskräfte in der Medizin – bis zum Oberärztinnenlevel – gibt.
Beim nächsten Schritt zur Klinikdirektorin oder Chefärztin erweitert sich der Aufgabenbereich um die Kommunikation mit der Geschäftsführung, Organisation der eigenen Abteilung, Verantwortung für Patienten und die Wirtschaftlichkeit, Teilnahme an vielen Sitzungen, die häufig in den Nachmittagsstunden geplant sind. Durch die Erweiterung der Tätigkeitsfelder, trauen Oberärztinnen, die gleichzeitig ihre Familie managen und durchaus das Aufgabenfeld der Chefärztin bewusst wahrnehmen, sich aufgrund ihrer persönlichen Ressourcen die Aufgabe nicht zu oder wollen sich dies nicht zumuten und nutzen lieber weiter ihre zur Verfügung stehende Arbeitszeit mit Patientenbehandlung.
Nur durch eine wirklich gerechte Arbeitsaufteilung im privaten Bereich und durch Umstrukturierung der Prozesse in den Kliniken (zum Beispiel Verlegung von Klinikleitersitzungen auf familienfreundlichere Uhrzeiten), wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingen. Sich nicht zwischen Karriere und Familiengründung entscheiden zu müssen, wird dazu führen, dass weiter mehr Frauen an den Spitzenpositionen im Gesundheitssystem zu finden sind. In einer Umfrage des Marburger Bundes sahen 70 Prozent aller befragten Assistenzärztinnen noch Handlungsbedarf der Arbeitgeber bei familienfreundlichen Arbeitsbedingungen.
Eine Karriere beginnt schon im Studium. Bereits hier sollten Frauen auf die Unterstützung von Mentor:innen, im Rahmen eines Mentorinnennetzwerkes, zurückgreifen. Hier kann man als Mentee von den Verfahrungen der Mentorin sehr profitieren und für sich selbst einem „Karriereplan“ erarbeiten, der dann ganz individuell durch die Mentorin begleitet wird. Hier bietet der Deutsche Ärztinnenbund ein Programm an, in dem derzeit mehr als 200 Mentorinnen zur Verfügung stehen.
Die Chancengleichheit für Ärztinnen in der Karriere bleibt ein vielschichtiges Problem. Es wurde bereits einiges erreicht. An Teilerfolgen, wie dem höheren Anteil der Oberärztinnen sehen wir, dass wir auf einem guten Weg sind. Noch immer fehlen Frauen an den Spitzen von Kliniken. Und nicht zu unterschätzen und sehr wichtig ist die „Werbung“ in der Gesellschaft für ein anderes Rollenbild der Ärztin