Blutabnahmen, Bewältigung von Betten- und Personalmangel und ein rotes Telefon, das regelmäßig den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt: In diesem Frühjahr hat Alexander Fischer sein Medizinstudium abgeschlossen und damit sein letztes Studienjahr im PJ verbracht. Wie so viele wusste er nicht, was im PJ auf ihn zukommt. In seinem Erfahrungsbericht schildert er seine Eindrücke aus den drei absolvierten Tertialen.
Mein PJ verlief in drei Tertialen, in denen ich in der Inneren Medizin, der Chirurgie und der Humangenetik tätig war. Mein erstes Tertial in der Inneren Medizin an der Uniklinik Heidelberg war in zwei Teile aufgesplittet. Jeden Nachmittag gab es eine Stunde PJ-Unterricht. Die erste Hälfte verbrachte ich in der Onkologie, genauer in der Tagesklinik, wo Patienten ihre Chemo- und Immuntherapie erhielten. Die Aufgaben als PJler beliefen sich hier hauptsächlich in der Gesprächsführung mit den Patienten, die bereits häufiger da waren, um ihren Gesundheitszustand zu erfassen. Bei neuen Patienten saß ich viel daneben und hörte zu, meine Kenntnisse waren dort sicherlich zu gering, um deutlich mehr zu tun. Entgegen meiner ersten Befürchtungen fand ich die Zeit dort nicht emotional belastend, was sicher auch daran lag, dass die Patienten, die dort ihre Therapie erhielten, ihre Diagnose ja bereits kannten und für die von ihnen gewünschte Behandlung dort waren. Am nachmittäglichen PJ-Unterricht konnte ich dank der ambulanten Organisation der Tagesklinik fast immer teilnehmen. Insgesamt habe ich viel über die Onkologie und besonders Chemotherapie gelernt, aber wie viel mir das in meinem späteren Arbeitsleben hilft, kann ich noch nicht sagen.
„Wenn das rote Telefon klingelte, ging alles ganz schnell“
Anders war es im zweiten Teil des Tertials für Innere Medizin, das ich in der Kardiologie verbracht habe. Die Hälfte dieser Zeit war ich auf der kardiologisch geführten Intensivstation, die andere Hälfte auf der normalen kardiologischen Station. Auf der Intensivstation waren wir drei PJler und es gab Schichtdienst, zwei Schichten am Tag und eine nachts. Es musste tagsüber jederzeit mindestens ein PJler anwesend sein, gerne auch mehrere, deren Dienste sich überschnitten. Die Einteilung wurde uns überlassen. Dadurch konnte ich mir in Absprache mit meinen Kommilitonen auch etwas mehr Freizeit organisieren, als sonst im PJ möglich gewesen wäre.
Auf der Intensivstation begann dann ein Teil meines PJs, der mich bis zum Ende begleiten sollte: Das tägliche Blutabnehmen bei den Patienten. Hier hatten allerdings noch die meisten Patienten einen arteriellen Zugang mit einer Schleuse, der es unnötig machte, sie mit einer Nadel zu pieksen. Wenn ich nicht gerade beim Blutabnehmen oder bei einer Visite war, gab es auf der Intensivstation für PJler größtenteils nicht sehr viel zu tun. Das Pflegepersonal konnte die meisten Dinge selbst und kam, wenn es nötig war auf uns zu. So blieb Zeit für die Ärzte, uns etwas beizubringen. Ich lernte beispielsweise das sonografiegestützte Legen eines ZVK bei den Patienten, den Wechsel eines Tracheostomas und ähnliche intensivmedizinische Fähigkeiten.
Ein großer Teil der Anspannung auf der kardiologischen Intensivstation bestand aus dem Reanimationsnotruf, für den wir ebenfalls zuständig waren. Wenn das „rote Telefon“ (es war wirklich ein rotes Telefon mit Wählscheibe und mechanischer Klingel, um es von allen anderen Alarmen unterscheiden zu können) klingelte, ging alles ganz schnell. Im Verlauf der vier Wochen, die ich dort war, habe ich sehr viel über Reanimationen gelernt und war bei einer großen Zahl persönlich involviert. Das waren Belastungen bis an die körperlichen Grenzen. Beeindruckend war auch, wie schnell sich ein Team in solchen Situationen aufeinander einstellt. In diesem Teil des PJs habe ich sicherlich die meisten praktischen medizinischen Fähigkeiten erlernt.
Die zweite Hälfte der Kardiologie-Rotation verbrachte ich auf der Normalstation. Hier zeigte sich das Ausmaß, dass das Blutabnehmen im PJ annehmen konnte. Jeden Morgen fing ich an, jeden der Patienten zu pieksen (der angeblich existierende Blutabnahmedienst war anscheinend nur ein Gerücht). Daraufhin mussten viele auch noch ein EKG erhalten, was ich schreiben und hinterher auch selbst befunden durfte. Die Befundung wurde hinterher noch mit dem Stationsarzt besprochen. Dadurch habe ich darin sehr viel Erfahrung sammeln können. Auf dieser Station dauerte die Visite täglich mehrere Stunden, weshalb ein großer Teil der restlichen Arbeit nachmittags gemacht werden musste.
Zu meinen Aufgaben gehörte das Aufnehmen der Patienten, das Zusammenfassen der Befunde in den Arztbriefen und die Aufklärung über anstehende Eingriffe. Die anfallende Menge an Arbeit führte hier häufig zu Überstunden, weshalb einige Arbeitstage auch schon mal zehn bis elf Stunden hatten. Dadurch konnte ich in dieser Zeit den PJ-Unterricht nicht besuchen. Auch wenn ich mich durchaus unterbezahlt gefühlt habe (eine Aufwandsentschädigung von 400 Euro pro Monat war gemessen am Einsatz kaum der Rede wert), habe ich doch sehr viel gelernt: Wie führt man eine Station? Und wie löst und umgeht man die typischen Probleme des Krankenhauses, den Betten- und Personalmangel?
Während des Tertials in der Inneren am Uniklinikum musste ich auch vier Nachtdienste und zwei Wochenenddienste absolvieren. In diesen musste ich hauptsächlich Blut abnehmen und Zugänge legen. Positiv darüber kann ich eigentlich nur sagen, dass ich dadurch den nächsten Tag frei hatte und die labyrinthischen Wege der Klinik danach auswendig konnte.
„Ich hatte de facto den Job des Stationsarztes“
Mein zweites Tertial verbrachte ich in der Chirurgie in einem kleinen externen Krankenhaus. Dort wurde jeder PJler einer Station zugeordnet, für die er dann verantwortlich war. Mir wurde die Privatstation gegeben, auf der ich die gesamten vier Monate verbrachte. In der Chirurgie bestand mein Morgen aus Blutabnehmen (wer hätte das erwartet?) und einer Frühbesprechung. Nach dieser teilten wir PJler uns auf die vorhandenen OPs auf und klärten, ob wir für einen Kommilitonen, der in den OP ging, noch etwas erledigen mussten. Abgesehen vom „Hakenhalten“ im OP war unsere Aufgabe hauptsächlich das Verfassen der Arztbriefe. Vor dem OP selbst hatte ich im Voraus etwas Sorge, da ich keine große Begeisterung für die Chirurgie aufbringen konnte. Jedoch wurde ich positiv überrascht. Fast jeder war sehr freundlich und bereitzuerklären, was gerade getan wurde. Das Zunähen der Patienten blieb in diesem Krankenhaus – typischerweise – am PJler hängen. Ich habe diese Fertigkeit deshalb auch sehr gut erlernt.
Leider hatten wir unter uns PJlern zwischenzeitlich Personalprobleme. Die Riege des Tertiales vor uns ging (ihren Resturlaub nehmend) relativ früh, und aus nicht nachvollziehbaren Gründen kamen in meinem Tertial nur drei PJler für die Klinik, mich eingeschlossen. Es gab aber sechs Stationen zu betreuen und vier OPs zu besetzen, was dadurch unmöglich war. Unser Arbeitspensum war daher um ein Vielfaches höher, als es hätte sein sollen. Immerhin wurde das vom Chefarzt durchaus anerkannt. Wir wurden besser behandelt und gestellt, als PJler das dort normalerweise wurden. Unter anderem bekamen wir auch die Weihnachtsgeschenke, die sonst nur für die Ärzteschaft vorgesehen waren. Den Oberärzten wurde gesagt, jetzt müssten sie ihre Briefe eben mal selbst schreiben, wir sollen im OP auch noch etwas lernen können.
In diesem Tertial habe ich vor allem selbstständiges Arbeiten gelernt, da meine Stationsärztin auf der Privatstation häufig nicht da war und ich damit de facto den Job des Stationsarztes übernommen habe. Natürlich kam der Chefarzt einmal täglich zur Visite und kümmerte sich um alle größeren Probleme, aber ich musste die Patienten vorstellen und mich darum kümmern, dass alles seinen geregelten Gang ging. Am meisten ist mir die erste medizinische Frage einer Krankenschwester im Kopf geblieben: „Wir haben kein Simvastatin. Welches andere Statin können wir dem Patienten in welcher Dosierung geben?“ Ich stand dort für ein paar Sekunden sprachlos, bis ich meinte, ich würde in fünf Minuten auf sie zurückkommen und ihr die Frage beantworten. Das habe ich dann natürlich erst mal recherchiert, bin aber glücklicherweise zu einer zufriedenstellenden Antwort gelangt. Trotzdem kann ich mich sehr gut an diesen Moment erinnern, weil es das erste Mal war, dass jemand im Krankenhaus mein medizinisches Wissen abgefragt hatte, weil er wirklich Hilfe braucht… Und ich hatte keine Ahnung!
„Besonders begeistert hat mich die Zeit, die man sich für jeden Patienten nehmen kann (und muss)“
Das dritte Tertial verbrachte ich wieder in der Uniklinik, und zwar in der Humangenetik. Dieses durchaus seltene Fach hat mich sehr interessiert und ich wollte es unbedingt einmal ausprobieren. Viele PJler gibt es darin nicht, weshalb ich ohne Probleme den Platz bekam. Die Humangenetik war vor allem eine Ambulanz. Meine Aufgaben bestanden vor allem im Recherchieren von Krankheiten, mit der Frage, welcher Test wo durchgeführt für den Patienten sinnvoll wäre sowie in Patientengesprächen und -untersuchungen. Anfangs saß ich dabei vor allem daneben, gegen Ende durfte und konnte ich aber ganze Sprechstunden (zu häufigeren Krankheitsbildern) durchführen, auch manchmal einen ganzen Tag.
Besonders begeistert hat mich die Wissenschaftsnähe des Fachs, ohne dabei direkt Forschung zu betreiben, sowie die Zeit, die man sich für jeden Patienten nehmen kann (und muss). Sprechstunden mit einem Patienten waren 30 bis 90 Minuten lang, sodass ich wirklich das Gefühl hatte, die Patienten hatten alle Fragen gestellt und ihnen war klar, wieso wir was mit ihnen vorhatten. Auch war in der Humangenetik die Atmosphäre sehr familiär, weil es vergleichsweise wenige Angestellte gab. Unter anderem hatte ich mehrere persönliche Gespräche mit dem Chefarzt über meine Erfahrungen dort und meine Wünsche für meinen weiteren Lebensweg.
Am Ende habe ich mich entschlossen, den Facharzt für Humangenetik anzustreben und freue mich sehr, das nun bald anfangen zu können! Ich hoffe, dass ich damit einen Einblick in das Leben eines PJlers geben konnte. Fest steht: Angst vor diesem Abschnitt des Medizinstudiums muss niemand haben!
Alexander Fischer
Der approbierte Arzt ist 26 Jahre alt. Sein Studium der Humanmedizin in Mannheim und Heidelberg hat er im Mai 2022 abgeschlossen. Sein PJ absolvierte er in Heidelberg. Jetzt steht für ihn die Weiterbildung zum Facharzt für Humangenetik an. Das dafür nötige Jahr in der direkten Patientenversorgung möchte er in der Pädiatrie absolvieren. Bis dahin will er seine Promotion abschließen. Im Marburger Bund war er bis letztes Jahr der stellvertretende Vorsitzende des Sprecherrates der Studierenden. Ein weiteres Engagement im Marburger Bund in einer neuen Rolle hat er sich fest vorgenommen.
Sie sind mitten in Ihrem PJ oder noch im Studium und wissen nicht, welche Fachdisziplin zu Ihnen passt? Dann können Sie hier einen Blick auf die Berichte der unterschiedlichen Fachgesellschaften werfen.