Für unsere Serie der besten Weiterbildungsbefugten sprachen wir mit Dr. med. Christian Meyer (Bild), der als Klinischer Direktor und Chefarzt die chirurgischen Kliniken der Allgemein-, Viszeral-, Gefäß-, Unfall- und Thoraxchirurgie an der Asklepios Klinik Bad Wildungen leitet und die Kriterien für die TOP-WEITERBILDUNG erfüllt.
Wie empfangen Sie in Ihrem Haus neue Kolleg:innen?
Der allseits bekannte Fachkräftemangel macht auch vor der Medizin nicht Halt und insbesondere in der Chirurgie haben wir mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. Umso wichtiger ist es, dass man neue ärztliche Kollegen und Kolleginnen von Beginn an optimal betreut und ein gutes Arbeitsklima schafft. Insbesondere für ausländische Kolleg:innen ist es wichtig, dass sie Unterstützung erhalten – sei es bei Behördengängen, der Suche nach einer Wohnung oder auch der Verbesserung der deutschen Sprache. So helfen wir natürlich den jungen Kolleg:innen bei behördlichen Anträgen, etwa an die Landesärztekammer oder auch die Ausländerbehörde. Wer keine geeignete Wohnung findet, dem steht unser Mitarbeiterwohnheim offen. Welches übrigens wegen des sofortigen Kollegenanschlusses auch nicht die schlechteste Wahl zum Beginn der Beschäftigung ist. Denn Onboarding darf sich meines Erachtens nicht nur auf rein fachliche Themen beschränken, sondern es ist enorm wichtig, dass man sich als neuer Mitarbeiter oder neue Mitarbeiterin vom ersten Tag an im neuen Team wohlfühlt.
Was würden Sie als das Besondere an der Weiterbildung in Ihrer Abteilung beschreiben?
Unsere jungen Assistenzärzte und -ärztinnen rotieren in den ersten zwei Jahren durch sämtliche chirurgische Stationen der Klinik und lernen dabei unter anderem die Viszeral-, Unfall-, Gefäß- und Neurochirurgie kennen. Zugleich ist sowohl ein Aufenthalt in der interdisziplinären Notaufnahme fester Bestandteil als auch eine Einsatzzeit auf der Intensivstation.
Durch dieses breite Spektrum zu Beginn der Ausbildung können die Kolleg:innen für sich entscheiden, welches Fachgebiet sie am meisten interessiert und den weiteren Werdegang auch dort planen. Durch den Einsatz auf der Intensivstation und in der interdisziplinären Notaufnahme – jeweils unter der Anleitung erfahrener Oberärzte und -ärztinnen – verliert man schnell etwaige Ängste vor kritisch-kranken Patienten und sammelt unter Anleitung einen wirklich großen Erfahrungsschatz. Dieses strukturierte Vorgehen kommt einem nicht nur persönlich zugute, sondern natürlich auch dem gesamten Klinikbetrieb, da anschließend die Kolleg:innen in Weiterbildung sehr selbständig in der Lage sind, Patienten zu behandeln und zu betreuen.
Bieten Sie auch zusätzliche Termine zu Weiterbildungsangeboten an?
Zunächst einmal gibt es eine Reihe von sogenannten Inhouse-Schulungen zur Weiterbildung. Hierzu gehören sowohl die wöchentlich stattfindenden Tumorboards als auch die monatlich stattfindenden M&M-Konferenzen und selbstverständlich auch die wöchentlich stattfindenden internen Abteilungsschulungen, bei denen aktuelle Themen oder Leitlinien diskutiert werden. Zusätzlich wird den in Weiterbildung befindlichen Mitarbeiter:innen ein externes Weiterbildungsangebot offeriert, welches ausgiebig und gerne in Anspruch genommen wird. Dazu zählen beispielsweise Sonographie-Kurse, Osteosynthese-Kurse oder ähnliches.
Nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammern sollen weiterbildungsbefugte Assistenzärzt:innen regelmäßig Entwicklungsgespräche führen. In der Realität wird der Zeitraum zwischen den Gesprächen leider gerne gedehnt. Wie würden Sie Ihre Feedback-Kultur beschreiben?
Wir führen in unserer Klinik zweimal im Jahr mit jedem Assistenzarzt und jeder Assistenzärztin und zusammen mit den beteiligten Oberärzten ein Weiterbildungsgespräch durch. Hier ist es uns sehr wichtig, ein Feedback zu bekommen, in wieweit sich die Kollegen gut aufgehoben fühlen, wie sie selbst ihre Weiterbildung beurteilen würden und ob sie generell mit der jetzigen Situation zufrieden sind. Von Seiten der leitenden Ärzteschaft wird ebenfalls ein klares Feedback gegeben – also welche Sachen gut sind, aber auch, was wir noch als verbesserungswürdig ansehen. Wichtig ist mir immer, dass wir am Ende eine klare Verabredung treffen, wie wir weiter verfahren und welche konkrete Unterstützung zur persönlichen Weiterentwicklung forciert wird. Meiner Erfahrung nach wird besonders dieser Austausch untereinander als sehr fair und hilfreich geschätzt.
Können Ihre Assistenzärzte und -ärztinnen bei Problemen und Fragen auch auf Mentoren zurückgreifen?
Der jeweilige Stationsoberarzt fungiert immer auch als Mentor für den Zeitraum der besagten Rotation. Dieses Konzept hat nicht nur den Vorteil, dass man über die tägliche Visite mit einem Oberarzt die Klinikabläufe sehr schnell begreift und nachvollzieht, sondern auch ein Vertrauensverhältnis zu mehreren Ärztinnen und Ärzten entsteht. Ich halte verschiedene Mentoren und Mentorinnen tatsächlich für gewinnbringender als den einen Mentor, der einen vom ersten bis zum letzten Tag der fachärztlichen Weiterbildung begleitet. Was macht man da zum Beispiel, wenn es menschlich nicht so harmoniert?
Als Chefarzt verpflichten Sie sich auch zu einer respektvollen Arbeitskultur. Wie stellen Sie dies in Ihrer Abteilung her?
Ich glaube, dieser respektvolle Umgang ist einer der wichtigsten Punkte: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ein Anrecht auf Wertschätzung und Anerkennung! Auch wenn es im ersten Moment profan klingen mag: Ich bin sehr darauf bedacht, die Kolleg:innen regelmäßig bei guter Leistung zu loben. Meine Erfahrung ist, dass dann im Umkehrschluss auch notwendige Kritik auf viel mehr Verständnis trifft, denn sowohl Lob als auch begründete Kritik zeigt, dass man sich mit einem oder einer Kollegin wirklich beschäftigt!
Wie gehen Sie dabei vor?
Wichtig ist mir, dass wir immer fair miteinander umgehen. Wir pflegen – vielleicht untypisch für eine chirurgische Abteilung – eine sehr flache Hierarchie: Es ist ausdrücklich gewollt, dass jeder Mitarbeiter sowohl fachlich zu einzelnen Fällen als auch zu organisatorischen Abläufen seine Meinung äußert. Als Chefarzt verspreche ich, mir die Meinungen und Einschätzungen sowohl von Assistenz- und Oberärzten zu Sachverhalten anzuhören, abzuwägen und dann eine Entscheidung zu treffen, die dann natürlich begründet wird und vom ganzen Team getragen werden sollte. Durch diesen Prozess erlangt man letztlich eine große Durchdringung und eine rasche Umsetzung von Handlungsabläufen, da sie durch das gesamte Team auch inhaltlich getragen werden.
Als Weiterbildender erklären Sie sich dazu bereit, sich durch Ihre Ärzte und Ärztinnen evaluieren zu lassen. Diese Transparenz wünscht sich nicht jeder Weiterbildungsbefugter, manche Kollegen empfinden sie als heikel. Warum ist dies für Sie kein Problem?
Ich begrüße Feedback außerordentlich und fordere es auch aktiv ein. Auch als Chefarzt möchte ich wissen, wie mein Team mich sieht und welche Ratschläge es für mich hat. Ich sehe es wirklich so, dass ehrliches Feedback meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mich coacht – und dafür bin ich dankbar. Dafür ist es aber gleichzeitig auch unerlässlich, dass man als derjenige, der seinem Vorgesetzten eben logischerweise auch mal negatives Feedback gibt, wissen muss, dass manaufgrund der Kritik keine Repressalien zu befürchten hat. Und genau diese Vertrauenskultur pflegen wir, was mich tatsächlich stolz und dankbar meinen Mitarbeiter:innen gegenüber macht.
Die Asklepios Stadtklinik Bad Wildungen ist ein gut ausgestattetes, leistungsstarkes Krankenhaus der Grund-, Regel- und Notfallversorgung mit 195 Betten und 420 Mitarbeitern. Als Akademisches Lehrkrankenhaus der Philipps-Universität Marburg beteiligt sich das Klinikum aktiv an der akademischen Aus- und Weiterbildung.