Wirtschaftliche Kennzahlen sind ein wichtiger Hinweisgeber für die Zukunftsperspektiven eines Krankenhauses – und sie wirken sich auch auf die dortigen Arbeitsbedingungen aus. Die entscheidenden Faktoren, auf die es bei der Wahl des künftigen Arbeitgebers ankommt, erläutert Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC.
Die Generation der jungen Ärztinnen und Ärzte wird in Zeiten des Fachkräftemangels stark umworben. Im Unterschied zu Bewerber:innen in vielen anderen Branchen können sich Health Professionals – Mediziner:innen ebenso wie Pflegekräfte – ihren Arbeitsplatz weitgehend frei aussuchen. Ein großer Klinikkonzern oder lieber ein Haus in öffentlicher Trägerschaft? In welchen Punkten unterscheiden sich die Krankenhäuser eigentlich? Und: Wer ist der attraktivere Arbeitgeber? Wer bietet die besseren Arbeitsbedingungen? Eine pauschale Antwort lässt sich auf diese Fragen sicherlich nicht geben, doch es lohnt sich, auf die wirtschaftliche Lage und damit die Zukunftsperspektiven der knapp 2.000 deutschen Krankenhäuser zu blicken.
PwC-Benchmarking: Private Krankenhäuser arbeiten rentabler
In unserer PwC-Studie „Krankenhäuser im Vergleich – Kennzahlen 2020“ haben wir die finanzielle Lage von mehr als 100 deutschen Kliniken in öffentlicher, gemeinnütziger und privater Trägerschaft untersucht und die wichtigsten Kennzahlen der Branche für das Jahr 2019 verglichen. Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Der Abstand zwischen den öffentlichen und privaten Krankenhäusern in puncto Finanzen wächst. Gerade bei den Faktoren Kostendeckung und Liquidität schneiden öffentliche Häuser schlechter ab als ihre privaten oder freigemeinnützigen Wettbewerber. So liegt die EBITDA-Quote bei den privaten Krankenhäusern bei 7,8 Prozent und damit höher als bei den freigemeinnützigen (2,6 Prozent) und den öffentlichen Kliniken (-4,4 Prozent). Gerade öffentliche Krankenhäuser mussten noch vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie hohe Einbußen verkraften: Im Jahr 2018 lag der Wert bei 0,5 Prozent. Ebenso ist die Material- und Personalaufwandsquote eine wichtige Kennzahl in der Frage, wie wirtschaftlich Kliniken arbeiten. Auch in diesem Punkt schneiden private Krankenhäuser am besten ab. Mit 84,2 Prozent haben sie die niedrigste Material- und Personalaufwandsquote. Zum Vergleich: Bei den öffentlichen Krankenhäusern liegt dieser Wert bei 92,1 Prozent. Das bedeutet, dass von 100 Euro lediglich knapp acht Euro für Finanzierung, IT-Ausstattung und Instandhaltung übrigbleiben.
Private Krankenhäuser erbringen mit ihrem Personal die größte Leistung
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man den Case-Mix-Index betrachtet. Er ist ein Indikator für die durchschnittliche Schwere der behandelten Fälle und den damit verbundenen relativen ökonomischen Ressourcenaufwand. Dabei zeigt sich, dass private Kliniken die höchste Produktivität erbringen. Am schlechtesten schneiden in diesem Punkt die freigemeinnützigen Häuser ab. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte in privaten Kliniken stärker ausgelastet werden und damit einen höheren Arbeitsdruck haben. Angesichts des gravierenden Fachkräftemangels ist es aus unserer Sicht aber wahrscheinlicher, dass die privaten Krankenhäuser über eine bessere Bau- und Dateninfrastruktur verfügen, die ein effizienteres Arbeiten ermöglicht.
Die Profitabilität wirkt sich auf die Arbeitsqualität aus
Natürlich ist die Wirtschaftlichkeit nur ein Faktor bei der Wahl der richtigen Klinik als Arbeitgeber. Gute oder schlechte Arbeitgeber wird es immer geben, unabhängig von der Form der Trägerschaft. Die Profitabilität spielt aber eine Rolle und wirkt sich auf die Arbeitsqualität aus. Tendenziell stehen öffentliche Krankenhäuser unter hohem wirtschaftlichem Druck und schreiben eher Verluste. Das kann dazu führen, dass Einsparmaßnahmen getroffen werden und notwendige Investitionen sowie Modernisierungsmaßnahmen aufgeschoben werden müssen. Andererseits haben gerade große Klinikkonzerne durch ihre stärker wirtschaftlich orientierte Denkweise oftmals hohe Renditeerwartungen, die das medizinische Personal unter Druck setzen und sich auf die Qualität der Versorgung auswirken können. In jedem Fall stellt der öffentliche Sektor derzeit mit Abstand die meisten Arbeitsplätze: Nach aktuellen Zahlen der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft arbeiten in öffentlichen deutschen Krankenhäusern 92.480 Ärztinnen und Ärzte – gegenüber 26.881 in privaten und 48.591 in freigemeinnützigen Einrichtungen.
Öffentliche Krankenhäuser sind stärker hierarchisch geprägt
Neben diesen Hard Facts gibt es auch weiche Faktoren, die bei der Wahl des Arbeitgebers eine Rolle spielen. Das betrifft etwa die Arbeitsatmosphäre und -kultur. Gerade öffentliche Krankenhäuser sind oftmals noch stärker hierarchisch geprägt, wie junge Ärztinnen und Ärzte immer wieder rückmelden. Hierarchisches Denken ist in privaten Kliniken hingegen tendenziell weniger stark ausgeprägt, dort steht das Erreichen von definierten Zielen im Mittelpunkt, nicht die persönliche Exzellenz einzelner Führungskräfte. Entsprechend reibungslos – und unabhängig von einzelnen Personen – muss das Zusammenspiel im Team verlaufen. Dafür können die Zielvorgaben, die in privaten Klinikkonzernen verdeckt oder offen ausgesprochen werden, Health Professionals stark unter Druck setzen. Zum Teil gehen gerade private Kliniken auch neue, innovative Wege in der medizinischen Ausbildung. So arbeiten beispielsweise die Medical School Hamburg und die Helios Kliniken Schwerin eng zusammen: Ab Herbst 2021 können Medizinstudent:innen am Campus Schwerin ihren klinischen Studienabschnitt absolvieren. Zu den Vorteilen für angehende Mediziner:innen gehören ein enger Praxisbezug – deutlich früher als an öffentlichen Hochschulen – und der Verzicht auf einen Numerus Clausus.
Private Häuser in der Ausstattung überlegen
Auch in der Art der medizinischen Versorgung gibt es Unterschiede. Wie die wirtschaftlichen Kennzahlen belegen, verfügen private Häuser oftmals über die modernere technologische Ausstattung, die den öffentlichen Krankenhäusern im Schnitt um fünf bis zehn Jahre voraus ist. Allerdings unterliegen private Häuser tendenziell eher dem Nachteil, dass dort aus wirtschaftlichen Gründen seltene und hochspezialisierte Behandlungsmethoden weniger eingesetzt werden. Das muss nicht zulasten der Behandlungsqualität für die Patient:innen gehen, schränkt aber die medizinische Freiheit und Vielfalt ein. Von Ärztinnen und Ärzten an öffentlichen Häusern hört man diese Rückmeldung seltener. Wie unser jährliches „Healthcare-Barometer“ belegt, ist die Zufriedenheit mit der Krankenhausversorgung in Deutschland insgesamt aber ausgesprochen hoch: Wie unsere jüngste Befragung zeigte, schätzen drei Viertel der Patient:innen die Versorgung als gut oder sehr gut ein. Welche Arbeitgeber der richtige ist, hängt auch von der gewählten Facharztrichtung ab. So bevorzugen private Träger Fachrichtungen, die als profitabel angesehen werden, zum Beispiel die Orthopädie. Andere Fachrichtungen, etwa die Psychiatrie, können für ein somatisch ausgerichtetes Krankenhaus weniger von Interesse sein. In jedem Fall stehen Kliniken unabhängig von ihrer Trägerschaft vor der Aufgabe, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Dafür gibt es gute Gründe: Die Zufriedenheit der Belegschaft ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Michael Burkhart ist Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland und Standortleiter Frankfurt. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft. Seine Branchenexpertise umfasst das ganze Gesundheitswesen: Krankenhäuser und Krankenversicherungen, Pflegeheime, Diagnostikunternehmen, Hersteller von Medizinprodukten und Organisationen des öffentlichen Sektors.
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