„Zu beglückwünschen sind natürlich diejenigen unter uns, die von vornherein ganz genau wissen, was sie wollen”, sagt Manisha Porde, die sich in der Weiterbildung zur HNO-Fachärztin befindet. Sie lässt uns nicht nur an ihrem Weg teilhaben, sondern hat auch ganz konkrete Tipps für diejenigen, die sich noch unsicher bei der richtigen Fachdisziplin sind oder wissen möchten, wer für sie der ideale erste Arbeitgeber ist.
Frau Porde, Sie haben sich für eine fachärztliche Weiterbildung in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde entschieden. Wo stehen Sie gerade in Ihrer Weiterbildung?
Ich habe im Oktober 2021 meine ärztliche Tätigkeit in den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) Wiesbaden begonnen und befinde mich somit seit wenigen Tagen im zweiten Jahr meiner Facharztausbildung.
Verraten Sie uns doch bitte etwas dazu, aus welcher Motivation heraus und zu welchem Zeitpunkt Sie sich für diese Fachdisziplin entschieden haben – und warum?
Die finale Entscheidung eine Facharztausbildung in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Kopf-Hals-Chirurgie zu beginnen, habe ich erst sehr spät getroffen. Bereits im Zuge meines Studiums in Göttingen wurde mir bewusst, dass ich mich langfristig in einer chirurgischen Disziplin sehen würde. Ich durfte im Bereich der Wiederherstellungschirurgie an einer Vielzahl operativer Eingriffe teilnehmen, unter anderem bei der Durchführung verschiedener Lappenplastiken sowie diversen mikrochirurgischen Eingriffen. Diese Erfahrungen begeisterten und prägten mich sehr. Zeitgleich hegte ich aber auch schon immer eine gewisse Vorliebe für die Onkologie. Zum Ende meines Wahltertials im praktischen Jahr in der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Kopf-Hals-Chirurgie der Helios HSK Wiesbaden war mir dann klar, dass dieser Fachbereich für mich genau die richtige Balance und langfristig auch genügend Abwechslung sowie Gestaltungsspielraum bietet.
Was genau fasziniert Sie so sehr an diesem Fachgebiet?
Es ist unheimlich facettenreich mit einem großen Spektrum an Themengebieten wie zum Beispiel der Pädaudiologie und Phoniatrie bis hin zur Schlafmedizin und natürlich der Tumortherapie inklusive Tumorchirurgie. Als „Fach der Sinne“ haben wir viele Patienten, die insbesondere deshalb oft mit einem hohen Leidensdruck vorstellig werden. Neben vielen konservativen Therapiemöglichkeiten lernte ich dort auch die verschiedensten chirurgischen Therapieoptionen kennen wie beispielsweise funktionell-endoskopische und mikrochirurgische Operationsverfahren. Das Besondere: Der geschickte und erfahrene Operateur kann dabei selbst in die abgelegensten Areale unseres Kopf-Hals-Bereiches vordringen, in denen gleichzeitig eine große anatomische Nähe zu wichtigen Gefäßen und Nerven oder gar dem Gehirn besteht. Entscheidend war zudem auch die große Patientenvielfalt. Unter unseren Patienten finden wir alle Altersklassen – sogar die Neugeborenen, die beispielsweise zum Hörscreening vorgestellt werden. Und zu guter Letzt bietet mir die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Kopf-Hals-Chirurgie als Mutter auch mit Blick auf die weitere Familienplanung die Option, mich später vielleicht einmal als Fachärztin niederzulassen und im ambulanten Bereich tätig zu werden.
Welche generelle Empfehlung würden Sie bei der Frage geben, wie Medizinstudierende bei der Wahl der für sie passenden Fachrichtung und Weiterbildung vorgehen sollten? Schließlich kann das Studium niemals in Gänze den späteren beruflichen Alltag abbilden.
Zu beglückwünschen sind natürlich diejenigen unter uns, die von vornherein ganz genau wissen, was sie wollen, allerdings sind das die wenigsten. (lacht)
Allen anderen empfehle ich, das praktische Jahr sowie Hospitationen dafür zu nutzen, auch mal Fachbereiche kennenzulernen, über die man eventuell noch nicht so viel weiß. Grundsätzlich ist es wirklich hilfreich, unvoreingenommen gegenüber noch unbekannten Fachbereichen zu sein. Manchmal verbauen Vorurteile einem interessante Chancen. Die wichtigste Voraussetzung für die richtige Wahl der Fachrichtung ist sicherlich eine gute Selbstkenntnis: Also zu wissen, wo die eigenen Stärken und Schwächen liegen und wofür man sich wirklich begeistern kann. Diese Leidenschaft ist ganz elementar, denn wer als Ärztin oder Arzt arbeitet, sollte sich mit immer seiner Tätigkeit identifizieren und eine echte Passion dafür mitbringen.
Aus Ihren Worten klingt, dass Sie diese gefunden haben?
Ja, absolut.
Wenn man diese nun kennt und weiß, welche Disziplin die richtige ist, stellt sich als nächstes die Frage, an welchem Haus man seine Weiterbildung absolviert. Wie sollte man dabei vorgehen – und welches war Ihr Weg?
Zu Beginn sollte man wissen, ob man das Arbeiten in einem großen oder kleinen Krankenhaus bevorzugt. Grundsätzlich gilt, dass es immer leichter ist, von einem größeren Haus in ein kleineres zu wechseln als andersherum. Aus meiner Sicht sprechen viele Argumente dafür, seine Weiterbildung nicht in einem zu kleinen Haus zu absolvieren: Das Behandlungsspektrum und die damit verbundene Ausbildungsbreite sind in größeren Häusern häufig größer, weil man mit einem höheres Patientenaufkommen rechnen kann. Damit geht ein etwas höheres Arbeitsaufkommen einher und vielleicht mehr Konkurrenzdruck unter den Assistenzärzt:innen um Operationen. Ich persönlich habe die Zeit im praktischen Jahr an den HSK genutzt, um sowohl das Team als auch die internen Strukturen besser kennenzulernen. Mir ist eine möglichst breit gefächerte Ausbildung sehr wichtig sowie das Wissen um ein Team, in dem ich mich integriert, geschätzt und gefördert fühle. Immerhin verbringe ich einen Großteil meiner Zeit am Arbeitsplatz und mit den Kollegen. Insofern war es für mich ein Glücksfall, im praktischen Jahr bereits diese Einblicke gewonnen zu haben. Allen, die nach ihrem PJ noch auf der Suche sind, rate ich in jedem Fall zu einer Hospitation, bevor man sich bindet. Eine Hospitation kann zwar keinen derart umfassenden Einblick wie bei einem PJ bringen, aber man gewinnt einen guten Eindruck vom Team und dem Miteinander.
Was waren denn die ausschlaggebenden Argumente, die Sie am Ende für die HSK haben entscheiden lassen?
Die hohen klinischen Standards, das kompetente und zugewandte Team und natürlich die Aussicht auf eine vollumfängliche Weiterbildung bis zur Vollendung meiner Facharztweiterbildung waren für mich die drei entscheidenden Punkte.
Wie ist Ihre Weiterbildung aufgebaut und welches sind die wichtigsten fachlichen Milestones, die Ihnen vermittelt werden?
Die Inhalte orientieren sich an der Weiterbildungsordnung zur Facharztausbildung. Alle Assistenzärzte rotieren durch verschiedene Bereiche, unter anderem die Ambulanz, die Stationen, die Privatklinik im Rahmen der Privatassistenz sowie unsere Phoniatrie und Pädaudiologie. Der entsprechende Stationsarzt wird im operativen Tagesprogramm eingeteilt. Es erfolgen zudem regelmäßige interne Fortbildungen und wir besuchen nach Bewilligung von uns gewählte externe Fortbildungen. Ich persönlich habe in den Bereitschaftsdiensten sowie durch das wiederholte Ausüben praktischer und operativer Tätigkeiten immens gelernt und auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sehr gestärkt. Souveränität und Kompetenz ist insbesondere in der Medizin sehr von der eigenen Erfahrung geprägt. Das stetige Wiederholen ist essenziell für den Lerneffekt.
Welches sind für Sie die wichtigsten Erfahrungen in Ihrer Weiterbildung, die über klassische Learnings hinausgehen?
In meinem Beruf und meiner Weiterbildung gerate ich sehr oft in Situationen im Patientenumgang oder bei der Ausführung von Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Verantwortung mit sich bringen und mich persönlich wachsen lassen. Ich spreche von Momenten zwischen Demut und vermeintlicher Überforderung, wie zum Beispiel beim Überbringen schlechter Nachrichten, oder eben den Mut zu fassen, zum ersten Mal in einer OP einen geplanten und notwendigen Schnitt zu setzen. Das Therapieergebnis und die Rückmeldung der Patienten ist die aufrichtigste Kritik, die wir als Ärzte bekommen können.
Welchen Stellenwert haben Feedback-Gespräche in Ihrer Weiterbildung?
Es gibt die großen geplanten Feedbackgespräche, die jährlich stattfinden. Darin geht es um die eigene Wahrnehmung des Voranschreiten der Weiterbildung sowie der Fremdwahrnehmung und das Einbringen persönlicher Entwicklungsziele. Dazu kommen die kurzen täglichen Feedbackschleifen bezüglich der Therapiestrategien bei Visiten oder gemeinschaftlichen Früh- und Nachmittagsbesprechungen. Letztere erachte ich als wichtige Stellschrauben, um gewisse Grundkompetenzen zu erlangen, insbesondere als Jungassistentin. Denn dadurch findet auch ein Erfahrungsaustausch statt und die klinischen Standards werden gewahrt.
Gibt es generelle zusätzliche Qualifikationsmaßnahmen, die Ihnen Helios als Ihr Arbeitgeber ermöglicht?
Es gibt sowohl Forschungs- als auch Promotionsmöglichkeiten. Besonders hervorheben möchte ich die fünf bezahlten Fortbildungstage, die für gewöhnlich auch in Gänze rückerstattet werden. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass mein Arbeitgeber ein hohes Interesse an meiner Qualifizierung hat und mich entsprechend fördert.
Ein sensibles Thema, welches uns oft von Assistenzärztinnen und -ärzten geschildert wird, sind häufige Dienste und nicht optimale Organisationsprozesse. Wie beurteilen Sie Ihre Arbeitszeiten und die Ressourcen, die Ihnen zur Verfügung stehen, um Ihre Arbeit gut zu machen?
Klar, wir müssen alle mit den Konsequenzen des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels leben und arbeiten. Zum Beispiel übernehmen wir auch pflegerische Tätigkeiten und auch organisatorische Hilfsarbeiten. Mit dem steigenden Arbeitsumfang sind dann leider auch längere Wartezeiten für Patienten verbunden.
Machen Sie sich heute schon Gedanken darüber, wie es für Sie nach der fachärztlichen Weiterbildung weitergeht?
Durchaus – und ich sehe dem sehr optimistisch entgegen! (lacht) Was macht in Ihren Augen einen guten Arzt aus – und welches sind, Stand heute, Ihre drei wichtigsten Empfehlungen auf dem Weg dahin? Aus meiner Sicht braucht es eine gewisse Demut in diesem Beruf. Sie sollten sich immer in die Schuhe des Patienten stellen und fragen, wie Sie selbst gern behandelt werden würden. Zwangsläufig werden für uns viele Dinge schnell Routine. Für die Patienten sind sie jedoch oft ein erstmaliges und intimes Erlebnis an Körper und Psyche. Dessen sollten wir uns stets bewusst sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Selbstachtung. Wir sind sehr oft so darauf konditioniert zu funktionieren: Dem Übermaß an aufkommender Arbeit trotzen wir mit noch mehr Leistung, sodass wir völlig vergessen, den gesund erhaltenden Lebensstil selbst zu praktizieren. Temporär mag das eine Lösung darstellen, aber langfristig verursacht das ein erkranktes System mit erkrankten Mitarbeitern, die es tragen. Es ist also auch an jedem von uns, sich selbst, aber auch unser langfristiges Ziel nicht aus dem Fokus zu verlieren. Ebenfalls wichtig ist es, stets lernwillig und offen zu bleiben für Weiterentwicklung und Fortschritt unabhängig von Rang und Titel! Auch dies ist übrigens ein Punkt, den ich an meinem Arbeitgeber sehr schätze: Auch erfahrene Chef- und Oberärzt:innen eint, sehr offen für das Thema lebenslanges Lernen zu sein. Dies führt zu einer Kultur, in der nicht Hierarchien ausgelebt werden, sondern die Sache im Mittelpunkt steht. Dies weiß ich sehr zu schätzen.
Manisha Porde (33) studierte Humanmedizin in ihrer Heimatstadt Göttingen. Seit Oktober 2021 ist sie Assis- tenzärztin in Weiterbildung in der Klinik für Hals-, Nasen-, und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden.