In einer redaktionellen Umfrage unter den größten Krankenhausverbänden Deutschlands haben wir genau diese Frage den Häusern und ihren Weiterbildungsbefugten gestellt. Der Tenor der Antworten ist eindeutig: Die Wertschätzung für Assistenzärzt:innen ist ebenso gestiegen wie die allgemeine Weiterbildungsqualität. Da die Ansprüche der Nachwuchsmediziner:innen an ihre Weiterbilder:innen gewachsen sind und wir uns in einem starken Arbeitnehmermarkt befinden, wäre es fahrlässig, die fachärztliche Weiterbildung als notwendiges Übel zu verstehen. Wir zeigen, worauf angehende Ärzt:innen in Weiterbildung bei der Auswahl ihres Arbeitgebers achten sollten und welchen Rat erfahrene Mediziner:innen geben.
Die Regelausbildungszeit
Zunächst sollte sichergestellt sein, dass die Facharztausbildung innerhalb der Regelausbildungszeit abgeschlossen werden kann und dabei die Mindestuntersuchungszahlen eingehalten werden. Das klingt banal, scheint in der Praxis aber nicht selbstverständlich. Eine der ersten Fragen an einen Weiterbildungsbefugten sollte also sein, ob die ihm anvertauten Assistenzärzt:innen in den vergangenen Jahren immer im Zeitplan gelegen haben – und wie er oder sie dies auch zukünftig sicherstellen will.
Entscheidend für eine erfolgreiche Weiterbildung sind neben den fachtypischen diagnostischen und therapeutischen Fähigkeiten aber viele weitere Kriterien, die über die Minimalanforderungen hinaus gehen.
„Eine gute Weiterbildung braucht ein Umfeld, eine Unternehmenskultur, in der die ständige Aus-, Fort- und Weiterbildung eine fundamentale Rolle spielt. Unsere Rolle als Lehrer sehen wir nicht als Nebentätigkeit, sondern als eine der elementaren Aufgaben des Arztberufes.“
PD Dr. Oliver Bruder, Elisabeth-Krankenhaus Essen
Die ersten Schritte: Das Onboarding als Qualitätsindikator
In manchen Krankenhäusern erfolgt die Einarbeitung nach einem standardisierten Konzept, welches sich vorab erfragen lässt. Eine strukturierte Einarbeitung mit verbindlichen Lernzielen und feste Ansprechpartner machen einen gelungenen Start aus. Eine enge oberärztliche Begleitung der ersten Tätigkeitsphasen vereinfacht das Erlernen von Situationsroutinen, Gesprächsführung, Aufnahmeuntersuchungen oder der Didaktik von E-Berichten.
Auch ist es wichtig, sich zu informieren, wie breit das Krankenhaus in der jeweiligen Fachrichtung aufgestellt ist und in welche Bereiche tatsächlich Einblicke gewährt werden. Entscheidend hierfür sind die Weiterbildungsbefugnisse. Kann man alle Fachkompetenzen erlangen, ohne das Haus zu verlassen?
Falls das nicht möglich ist, bieten einige Krankenhäuser finanzielle Unterstützung für Hospitationen, Kongresse oder Seminare in anderen Hospizen.
„Viele haben Angst vor ihren Diensten, dem Zeitdruck oder vor dem ersten Notfall. Auch davor, plötzlich allein unter Umständen lebenswichtige Entscheidungen treffen zu müssen. Die Situation ist anders als im Studium. Wir haben deshalb in unseren Weiterbildungskonzepten sehr viele und breit aufgestellte Unterstützungsangebote, um den jungen Leuten die Angst zu nehmen und sie gut auf den Beruf vorzubereiten. Mein Tipp: fragen, zuhören, mutig sein.“
Dr. med. Bettina Steinmüller, Chefärztin Innere Medizin, Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau
Um ein möglichst breites Spektrum an praktischer Erfahrung zu sammeln, sind strukturierte und verlässliche Rotationspläne wesentlich. In vielen der von uns befragten Klinken sind diese vorab einzusehen. Daraus ergibt sich der große Vorteil, dass man sich ein genaueres Bild des späteren Ausbildungsalltags machen kann. Generell lohnt es sich, etwas über die internen Strukturen des Hauses herauszufinden. Gibt es etwa ein Intranet, über das man sich informieren kann? Werden die Lerninhalte verbindlich festgelegt und auch so kommuniziert? Solche Fragen geben oft einen Einblick in den kollegialen Umgang im Team. Idealerweise schafft der Chefarzt eine bildungsfreundliche Atmosphäre, in der auf Augenhöhe kommuniziert wird und Fragen jederzeit willkommen sind.
Die Vermittlung von Skills jenseits der medizinischen Expertise ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Soziale Kompetenzen im Umgang mit Patient:innen sind entscheidend, um sich selbst, als Arzt, als selbstwirksam und kompetent wahrzunehmen. Das Erlernen dieser Fähigkeiten kommt im Studium oft zu kurz.
Denn das Verhalten in Stress- und Konfliktsituationen erfordert Einfühlungsvermögen aber auch Resilienz, die so-wohl durch allmähliche Routine als auch durch Unterstützung und Feedback der Vorgesetzten erlernt werden können. Auch die effiziente Kommunikation im Team spielt in der Praxis eine entscheidende Rolle. Themen wie der Arbeits- oder Datenschutz, rechtliche Aspekte der Tätigkeit sowie das effiziente Zeitmanagement gehören zu den Schlüsselkompetenzen. Während man im Rahmen der Tätigkeit als studentische Hilfskraft ohne zeitlichen Druck arbeiten konnte, ist dies beim Eintritt in die Assistententätigkeit plötzlich ganz anders. Es benötigt viel Fingerspitzengefühl und nicht zuletzt auch Erfahrung, um herauszufinden, wofür man seine oft zu knappe Zeit einsetzt. Professionelles Feedback erfahrener Kolleg:innen hilft an dieser Stelle oftmals sehr.
„Die Team-Weiterbildung mit anderen Berufsgruppen ist sehr wichtig, wenn es zum Beispiel um Notfälle geht. Hier hat sich bei uns ein monatliches interdisziplinäres Reanimationstraining bewährt, das die Abläufe wiederholt, um mehr Sicherheit zu geben.“
Dr. med. Charlotte Hillmann, Chefärztin Wichernkrankenhaus Berlin
Kommunikation das A und O
Auch deshalb ist es für die Assistenzärzte wichtig, sich in jeder Situation auf die Weiterbilder verlassen zu können. Sicherheit gibt in vielen Häusern auch Mentor:innen (in den meisten Fällen ein Oberarzt), die zuverlässig und unbürokratisch mit Rat und Tat zur Seite steht. Auch Fragen außerhalb der dafür vorgesehen Zeiten sollten immer auf ein offenes Ohr treffen. Eine engmaschige Supervision unterstützt das „training on the job“ ebenfalls.
Bei den jährlichen Entwicklungsgesprächen sollten Weiterbilder:innen idealerweise dazu bereit sein, nicht nur Feedback zu geben, sondern dieses auch zu erhalten. Fragt im Vorstellungsgespräch, wie die Entwicklungsgespräche üblicherweise konzipiert sind!
Oft erfuhren wir bei unserem Research aus den Krankenhäusern, man wolle über die Weiterbildung „ein modernes Arztbild vermitteln“, das sich durch Kompetenz, Empathie und kommunikative Fähigkeiten auszeichne. Ein Weiterbildungsbefugter formuliert es so: „Es sollte immer die Frage, was ich empfehlen würde, wenn der Patient ein naher Angehöriger oder Freund wäre, im Mittelpunkt stehen“. Denn das Entwickeln einer ärztlichen Persönlichkeit, welche nur schwer in ein Curriculum zu fassen sei, habe für den beruflichen Alltag eine überragende Bedeutung.
„Das Weiterbildungskonzept basiert auf einer Multiprofessionalität. Alle lernen voneinander.“
Dr. Rüdiger Haas, Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik Marl-Sinsen für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Den meisten Assistenzärzt:innen bereitet der erste Nacht- oder Wochenenddienst echtes Kopfzerbrechen. Denn natürlich müssen Assistenzärzt:innen noch Erfahrungen sammeln, dazu gehört auch der offene Umgang mit Unsicherheiten. Viele Häuser sind sich nach eigenen Aussagen bewusst, wie schwer es ist, unter Zeitdruck oder in ernsten Notfällen lebenswichtige Entscheidungen treffen zu müssen. Die Lösung für das Problem liegt für viele Weiterbilder auf der Hand: Es sollte die Möglichkeit geben, Eigenverantwortlichkeit langsam und schrittweise zu übernehmen, „weil das oft die Ängste der Nachwuchsmediziner mindert“ antwortete uns ein Oberarzt, der gleichzeitig zugab: „Viele schöne Konzepte sind Schall und Rauch, wenn die Personalpläne nicht eingehalten werden und wir unterbesetzt sind.“
Deshalb ist sein Rat: „Fragt danach, wieviele offene Stellen nicht besetzt sind und welche Dienste von euch erwartet werden.“ Ein chronisch unterbesetztes Haus würde sich oft eher der Mängelverwaltung widmen als der Weiterbildung. Interessant zu wissen ist auch, dass je nach Bundesland unterschiedliche Arbeitszeiten gelten.
Manche der von uns befragten Arbeitgeber bieten Hilfestellungen bezüglich der Wohnungssuche oder einen Zuschuss zum ÖPNV an. Einzelne Kliniken ermöglichen auch flexible Arbeitsmodelle, die zu einer erheblichen Verbesserung der Work-Life-Balance führen.
„Bei Unsicherheiten oder dem Wunsch nach Hilfestellung ist das direkte Nachfragen bei mir als Chefarzt oder bei den Oberärzt:innen nicht nur möglich, sondern erwünscht. Dies ist für uns eine Haltungsfrage.“
Dr. Frank Helmig, Chefarzt der DIAKO Fachklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Flensburg
Eigene Prioritäten
setzen Ein Ausbildungskrankenhaus zu finden, das nicht nur die gewünschte Fachrichtung, sondern auch alle gerade genannten Punkte vorweisen kann, gestaltet sich nicht ganz einfach. Deswegen ist es sinnvoll, sich die persönlichen Must-haves bewusst zu machen und diese zu priorisieren. Viele Kriterien lassen sich zwar im Voraus erfragen, wie der Berufsalltag dann aber tatsächlich aussieht, ist eine andere Sache. Trotzdem ist es lohnend, sich vorab genau zu informieren und möglichst Kontakt zu anderen Assistenzärztinnen aufzunehmen, die schon erste Erfahrungen gesammelt haben. Natürlich sollte man auch die rein fachliche Seite, welche über die Weiterbildungsordnung der zuständigen Landesärztekammer definiert ist, parat haben. Sie gibt der Weiterbildung den notwendigen Rahmen, die „Passung“ zwischen Berufseinsteiger:in und Arbeitgeber findet aber oft eher auf der zwischenmenschlichen Ebene statt.
„Jede gute medizinische und therapeutische Behandlung ist immer werteorientiert. Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen – dies bezieht sich sowohl auf die Patientinnen und Patienten als auch auf die Mitarbeitenden.“
Dr. Monika Vogelgesang, Chefärztin der MEDIAN Klinik Münchwies im Saarland für psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Sie wissen noch gar nicht, welche Fachdisziplin für Sie die richtige ist? Oder Sie sind auf der Suche nach einem Top-Weiterbildungsbefugten? Dann schauen Sie doch in unserem Weiterbildungsschwerpunkt vorbei.