Die Voraussetzung für die Facharztweiterbildung zur Fachärztin beziehungsweise zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen ist ein abgeschlossenes Medizinstudium. Sie richtet sich nach der (Muster-) Weiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer. „Derzeit sind, neben der klinischen Zeit, 24 Monate Weiterbildung im Öffentlichen Gesundheitswesen nötig, um den Titel nach einer Prüfung tragen zu dürfen“, erläutert Dr. med. Emanuel Wiggerich, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Ärztlicher Referent für den Fachbereich Hygiene und Infektionsschutz an der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf (AÖGW). Ein Beitrag von Frank Naundorf, der die Abteilung Digitales und Kommunikation bei der AÖGW leitet.
Die Weiterbildung muss an einem Ort mit entsprechender Weiterbildungsbefugnis absolviert werden. Die Voraussetzungen für die Weiterbildung können sich in den einzelnen Bundesländern gering unterscheiden. Die Weiterbildung wird mit einer Prüfung vor der zuständigen Landesärztekammer beendet. Bei Bestehen ist die Ärztin/ der Arzt berechtigt die Facharztbezeichnung „Fachärztin/ Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen“ zu führen.
Dr. med. Andrea Wünsch nimmt derzeit am Weiterbildungskurs zur Fachärztin für das Öffentliche Gesundheitswesen teil. Die Kinder- und Jungendärztin arbeitete zunächst in der Klinik, dann auch in der Praxis. „Ich wollte Einfluss nehmen, die Entwicklungs-Chancen für Kinder aus sozial benachteiligten Familien erhöhen“, sagt die 49-Jährige. Sie forschte an der Medizinischen Hochschule Hannover, studierte im Anschluss Public Health – und entschied sich schließlich für die Arbeit im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD).
Angefangen hat es mit einem Kita-Konzept für die Region Hannover, das auf den Erhebungen rund um die Schuleingangsuntersuchungen basierte. „Daten für Taten – darum geht es“, betont die Mutter von drei Töchtern. Seit sieben Jahren arbeitet sie im ÖGD, leitet inzwischen die Abteilung für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin mit rund 60 Beschäftigten. Ein anspruchsvoller Job, genau das, was Wünsch will. „In einem interdisziplinären Team kann ich etwas bewegen.“
Nach erfolgreichem Staatsexamen und erlangter Approbation gehen die Mediziner:innen zunächst in eine Arztpraxis oder Klinik. Durch die Tätigkeit in einer geeigneten Weiterbildungsstätte können damit die erforderlichen 24 Monate in der unmittelbaren Patientenversorgung gegenüber der Ärztekammer nachgewiesen werden.
Anschließend arbeiten die Ärztinnen und Ärzte in der Regel in einem Gesundheitsamt. Diese ist Voraussetzung für die Teilnahme an der theoretischen Weiterbildung an der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen.
Im Anschluss an die erforderlichen 12 Monate können im Gesundheitsamt auch drei der erforderlichen sechs Monate Weiterbildung im sozialpsychiatrischen Dienst des Amtes erfolgen, wenn in der Zeit der unmittelbaren Patientenversorgung keine Weiterbildung in Psychiatrie und Psychotherapie erfolgt ist.
Schließlich muss noch ein 6-monatiger theoretischer Kurs abgeleistet werden. Dieser hat einen Umfang von 720 Stunden und ist nach Rechtsverordnung unter anderem in Nordrhein-Westfalen über den Weiterbildungskurs im Gebiet „Öffentliches Gesundheitswesen“ an der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen zu absolvieren.
Andrea Wünsch absolviert zurzeit den Kurs – und lernt hier trotz ihrer langjährigen Berufserfahrung noch viel Neues. Vor allem zeitlich ist das eine enorme Herausforderung: „Doch da mir mein Public-Health-Studium angerechnet wurde und der Kurs virtuell stattfindet, ließ er sich mit Job und Familie verbinden.“ Den Schritt hat Wünsch nicht bereut. „Ich vertiefe mir bekannte Themen, zum Beispiel indem ich gesetzliche Grundlagen der Infektiologie besser kennenlerne, und erhalte neue fachliche Impulse.“ Zudem seien die Referentinnen und Referenten qualifiziert und engagiert, die Kurse gut konzipiert und die Leitung immer ansprechbar.
Inhalte des Kurses sind:
- Öffentliche Gesundheitssicherung, europäische Gesundheitssysteme, Recht und Verwaltung (102 Stunden)
- Management im öffentlichen Gesundheitswesen, Qualitätsmanagement, Organisationsentwicklung (96 Stunden)
- Epidemiologie, Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitsplanung (96 Stunden)
- Gesundheitsförderung und Prävention, Lebensphasen bezogene zielgruppen- und problemlagenspezifische medizinische Gesundheitshilfen (156 Stunden)
- Hygiene öffentlicher Einrichtungen, Infektionsschutz, umweltbezogener Gesundheitsschutz, Umweltmedizin, Gefahren- und Risikomanagement (174 Stunden)
- medizinische Begutachtungen, Gerichtsmedizin, gerichtliche Psychiatrie (96 Stunden).
Auf diese theoretische Weiterbildung können bis zu drei Monate (360 Stunden) Weiterbildung im Rahmen eines Postgraduierten-Kurses in Public Health angerechnet werden.
Auch die praktischen Weiterbildungsinhalte, die während der Zeit im Gesundheitsamt erworben werden sollen, sind in der Weiterbildung-Verordnung ÖGW geregelt. Die praktische Weiterbildung besteht aus der Vermittlung, dem Erwerb und dem Nachweis von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in zwölf Bereichen.
Dazu gehören unter anderem Kenntnisse über:
- Qualitätsmaßnahmen zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung und Verbesserung des Gesundheitsschutzniveaus,
- Priorisierung, Initiierung, Koordination und Evaluation von Strategien und Maßnahmen zur Krankheitsvorbeugung, Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung von Bevölkerungsgruppen,
- Indikationsstellung, Initiierung und subsidiäre Sicherstellung von Gesundheitshilfen für Menschen und Bevölkerungsgruppen, deren ausreichende gesundheitliche Versorgung nicht gewährleistet ist,
- Beratung, Vorbeugung, im Monitoring, in der Überwachung und der Durchführung von Maßnahmen zur Eindämmung übertragbarer Krankheiten bei Einzelnen und in definierten Bevölkerungsgruppen,
- Erstellung von amtlichen Bescheinigungen, Zeugnissen und Gutachten.
„Die Einzigartigkeit der Facharztausbildung besteht darin, dass der Besuch einer Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen vorgeschrieben ist“, sagt Wiggerich. Auch die zu vermittelnden Inhalte sind festgeschrieben. Der beziehungsweise die Weiterzubildende bekommt an der Akademie systematisch das komplette theoretische Wissen vermittelt, so dass er oder sie später in jedem Fachbereich des Gesundheitsamtes eingesetzt werden kann – unabhängig von der vorherigen klinischen Ausbildung. Zudem wird in dieser Ausbildung der bevölkerungsmedizinische Blick geschult, der von den in der Regel individualmedizinisch geprägten Mediziner:innen erst mühsam erlernt werden muss. Auch die Verbindung von Medizin, Verwaltung und Technik muss erlernt werden.
Frank Naundorf leitet die Abteilung Digitales und Kommunikation bei der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen. Er studierte Geschichte, Germanistik und Volkswirtschaft in Köln und absolvierte ein journalistisches Volontariat in Düsseldorf. Er arbeitete für verschiedene Medien und leitete viele Jahre die Medien-Abteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein bevor er 2021 zur Akademie wechselte. Für die Akademie war Naundorf zuvor schon über zehn Jahre als Dozent für Public-Relations-Themen aktiv. An zahlreichen IT-Projekten wirkte der Vater von drei Kindern mit, unter anderem begleitet er die Einführung und den Ausbau der Telematikinfrastruktur.
Mehr Beiträge zum ÖGD finden Sie unter: arztundkarriere.com/oeffentlicher-gesundheitsdienst/
Mehr Informationen zur Akademie finden Sie hier: arztundkarriere.com/aoegw/
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