In arzt & karriere hat der ÖGD einen festen Platz, regelmäßig präsentieren wir Best-Practice-Beispiele. Diesmal berichtet Dr. Dorothee Hofmann, was das Traineeprogramm im Gesundheitsamt Fulda so besonders macht. Dieser Erfahrungsbericht zeigt auch, wie wichtig es ist, dass jedes Gesundheitsamt nach Möglichkeit eine Weiterbildung zum Facharzt und Fachärztin für das Öffentliche Gesundheitswesen anbietet, um den demografisch bedingten Nachfolgeproblemen mit einem attraktiven Angebot für den Nachwuchs zu begegnen.
„Der ÖGD ist meine Leidenschaft“
Meine ersten Berührungspunkte mit öf-fentlicher Gesundheit im weitesten Sinne hatte ich bereits während meiner Ausbildung zur Gesundheits- und Kranken-pflegerin, die ich von 2005 bis 2008 ab-solvierte. Damals lernte ich die Bereiche Gesundheitsförderung und Prävention kennen, die mich sehr interessierten, weil man etwas bewegen kann, bevor Krankheit oder gesundheitliche Schäden eintreten.
Während meines Medizinstudiums an der Goethe-Universität Frankfurt wurde diese kleine Flamme durch die Vorlesungen zum Thema öffentliches Gesundheitswesen in den letzten Semestern wieder entfacht. Das Aufgabenspektrum war so umfangreich, bunt und interdisziplinär, was ich sehr faszinierend fand. Als die Leitung der Vorlesung – Prof. Dr. Dr. René Gottschalk, in der Veranstaltung eröffnete, dass das Gesundheitsamt Frankfurt erstmalig ein Wahltertial für das PJ anbietet, war für mich sofort klar, dass ich mich dafür eintragen würde. Gesagt – getan. Das PJ-Tertial bestärkte mich dann immer mehr in meiner Entscheidung, weiter den Weg zum öffentlichen Gesundheitswesen zu gehen. So bin ich auf die Ausschreibung der Trainee-Stelle beim Landkreis Fulda gestoßen, meiner Heimatstadt, was für mich das i-Tüpfelchen war.
Lieber Trainee statt klassischer Weiterbildung
In der klassischen Weiterbildung ist der Weiterbildungsassistent mehr auf sich gestellt und muss eher darum kämpfen, seine Stationen zu durchlaufen. Beim Traineeprogramm ist die Weiterbildung meines Erachtens besser organisiert und koordiniert, auch die klinischen Weiterbildungszeiten wurden koordiniert und mit mir und den Kliniken/Weiterbildungsstationen abgestimmt.
Ein weiterer Vorteil des Traineeprogramms ist die wesentlich engere Anbindung an den Weiterbilder. Mein Weiterbilder hat sehr darauf geachtet und auch immer wieder Feedback eingeholt, ob ich in den verschiedenen Einsatzbereichen die besonders relevanten Tätigkeiten absolviert habe und ob ich auch seltene Aufgaben zugeteilt bekommen habe. Es gab einen sehr klaren Weiterbildungsplan, der jedoch so flexibel war, dass auf meine Wünsche oder veränderte Rahmenbedingungen eingegangen werden konnte. So konnte ich mir beispielsweise meine klinische Weiterbildung mit entsprechenden Interessenschwerpunkten selbst zusammenstellen. Die Organisation der klinischen Zeit lief dann über meinen Vorgesetzten beziehungsweise den Arbeitgeber als sogenannte Abordnung. Ich denke, dass dies schon ein deutlicher Vorteil gegenüber einer klassischen Weiterbildung ist, nach dem sich viele Weiterbildungsassistenten sehnen würden.
Zusätzlich hat mir das Traineeprogramm in Sachen Karriere gutgetan, denn in Hessen und anderen Bundesländern kann man die Leitung eines Gesundheitsamtes nur übernehmen, wenn man den Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen hat. Zudem gibt es einen ziemlichen Mangel an solchen Fachärztinnen und Fachärzten, denn viele gehen in den nächsten Jahren in Rente, sodass die Aufstiegschancen für den Nachwuchs sehr gut sind. Ich selbst habe sehr zeitnah nach meiner Facharztprüfung eine stellvertretende Leitungsposition übernommen. In ein paar Jahren kann ich meine Weiterbildungsermächtigung be-antragen und selbst weiterbilden.
Theorie und Praxis verknüpft
Die damals geltende Weiterbildungsordnung sah 18 Monate am Gesundheitsamt, 36 Monate in der Klinik – davon wiederum 6 Monate in der Psychiatrie – und 6 Monate theoretische Weiterbildung an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen vor. In der Klinik wurde ich wie jeder andere Weiterbildungsassistent eingesetzt, einschließlich Diensten in der Nacht und am Wochen-ende. Im Gesundheitsamt habe ich alle Sachgebiete durchlaufen, also den amtsärztlichen Dienst, die Abteilung Hygiene und Infektionsschutz, den sozialpsychiatrischen Dienst sowie den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst. Zudem hatte ich die Gelegenheit, einige Wochen in der Gefahrenabwehr und im Veterinäramt zu hospitieren. Mit diesen Fachdiensten gibt es in der täglichen Arbeit immer mal wieder Berührungspunkte.
Mein Weiterbilder und auch meine anderen Kolleg:innen und Vorgesetzten haben sich häufig Zeit genommen, um mit mir gemeinsam theoretische Grundlagen zu den bearbeiteten Fällen zu besprechen, sowohl in Vorbereitung als auch in Nachbereitung. Bei einer Hygiene-Begehung einer Klinik gehören dazu beispielsweise Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen wie den einschlägigen Paragrafen im Infektionsschutzgesetz oder der Hessischen Hygieneverordnung, aber auch der Empfehlungen der KRINKO, Desinfektionsmittellisten, Standard-Hygienepläne und vieles mehr. Zudem sieht die Weiterbildungsordnung ein halbes Jahr theoretische Weiterbildung an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen vor. Hier wird die Theorie sehr umfassend vermittelt und es ist gut, wenn man dann schon ein bisschen Praxiserfahrung mitbringt, da es damit leichter fällt, den ganzen Input aufzunehmen.
Ein maximal vielfältiger Arbeitsalltag
Die ärztlichen Aufgaben im Amt sind sehr vielfältig: Gutachten und Stellungnahmen zu Dienstfähigkeit oder Erwerbsfähigkeit, Untersuchung von Schulanfängern, Ermittlung von meldepflichtigen Infektionserkrankungen, Hygiene-Begehungen von Kliniken, Praxen oder Pflegeeinrichtungen, hygienische Stellungnahmen zu Bauvorhaben, aufsuchende Hilfe und Beratung von psychisch Erkrankten, Bearbeitung/Prüfung von Leichenschauscheinen, reisemedizinische Beratung, HIV-Beratung und -Testung sowie viele weitere spannende Tätigkeiten.
Je nach Einsatzgebiet ist der Arbeitstag annähernd voll durchgeplant mit Terminen, zum Beispiel für Begutachtungen oder Untersuchungen. Der Tag ist also sehr strukturiert. Für die Begutachtungen werden die Patient:innen regelhaft einbestellt, das heißt natürlich, dass man die Patienten anamnestiziert, untersucht, gegebenenfalls berät. Anschließend kann man seine Stellungnahme zu den Fragestellungen verfassen. Es gibt regelmäßige Teamrunden mit den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, in denen knifflige Fälle besprochen werden. Es blieb mir auch immer etwas Zeit, um mich fachlich in Themen einzulesen oder Rechtsgrundlagen durchzuarbeiten, denn beispielsweise im Infektionsschutz ist es ganz besonders wichtig, seine Möglichkeiten, Zuständigkeiten oder auch Pflichten und Grenzen zu kennen. Im Gegensatz zur Klinik gibt es seltener Notfälle, aber es gibt sie. Das können zum Beispiel mal eine Leichenschau, ein besonders kritischer Infektionsfall oder eine Beschwerde über Hygienemängel sein – in solchen Situationen muss man durchaus kurzfristig in den Außendienst.
Mein Fazit
Ich würde die Weiterbildung, beziehungsweise das Traineeprogramm in Fulda, jederzeit wieder antreten. Ich kann jeder Person, die an einer Weiterbildung zum Facharzt für das Öffentliche Gesundheitswesen interessiert ist, diese Art der fachärztlichen Weiterbildung empfehlen. Und wer wirklich die Karriereleiter hochklettern will: Gerade in der jetzigen Zeit stehen die Karrierechancen sehr gut.
Autorin Dr. med. Dorothee Hofmann ist Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen und seit Juni 2021 stellvertretende Fachdienstleiterin des Gesundheitsamts Landkreis Fulda.
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