Der öffentliche Gesundheitsdienst hat nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie einen großen Nachwuchsbedarf, denn alleine durch den Demografischen Wandel suchen viele Gesundheitsämter hängeringend nach neuem Medizinernachwuchs. Auch die Tatsache, dass ein Arzt/ eine Ärztin im ÖGD „schlecht“ verdient, macht die Situation nicht besser. Herr Dr. Alexander Dietrich, Vorsitzender des Gruppenausschusses der VKA für Verwaltung (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)), schafft nun dieses Gerücht aus der Welt und gibt einen Überblick über den tatsächlichen Verdienst im öffentlichen Gesundheitsdienst.
Herr Dr. Alexander Dietrich, wie steht es wirklich um das Gehalt eines Mediziners/ einer Medizinerin im öffentlichen Gesundheitsdienst?
Für die Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) existieren sachgerechte tarifvertragliche Regelungen, die seit vielen Jahren bewährt sind. Für die Ärztinnen und Ärzte, die außerhalb der Krankenhäuser bei kommunalen Arbeitgebern beschäftigt sind, gilt seit 2005 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) mit dem besonderen Teil Verwaltung, der unter anderem die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Gesundheitsämtern abschließend regelt.
Die Ärzte in den Gesundheitsämtern sind den Entgeltgruppen (EG) 14 und 15 zugeordnet (siehe nachfolgend) und befinden sich damit an der Spitze der im TVöD geregelten Vergütungen.
Das Monatstabellenentgelt (ohne Zulagen, Jahressonderzahlung etc.) von Ärztinnen und Ärzten im ÖGD liegt vom 1. April 2021 bis 31. März 2022 bei:
Entgeltgruppe | Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 | Stufe 5 | Stufe 6 |
15 | 4.928,35 | 5.263,48 | 5.637,30 | 6.147,62 | 6.672,58 | 7.017,95 |
14 | 4.462,65 | 4.766,11 | 5.162,41 | 5.602,17 | 6.092,39 | 6.444,31 |
Zum 1. April 2022 steigen die monatlichen Entgelte erneut:
Entgeltgruppe | Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 | Stufe 5 | Stufe 6 |
15 | 5.017,06 | 5.358,22 | 5.738,77 | 6.258,28 | 6.792,69 | 7.144,27 |
14 | 4.542,98 | 4.851,90 | 5.255,33 | 5.703,01 | 6.202,05 | 6.560,31 |
Das Jahresgehalt eines Beschäftigten im ÖGD beträgt im Jahr 2021 mindestens 59.627,12 Euro (EG 14, Stufe 1). Allein aus der Entgelttabelle ergibt sich ein Jahresgehalt von bis zu 92.051,58 Euro (EG 15, Stufe 6). Darin enthalten sind neben dem monatlichen Tabellenentgelt außerdem eine im Tarifabschluss vom 25. Oktober 2020 vereinbarte dauerhafte monatliche Zulage für diese Berufsgruppe in Höhe von 300 Euro (ab 1. März 2021) und eine Jahressonderzahlung. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Tarifgebiet West 39 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost aktuell noch 40 und ab dem 1. Januar 2023 ebenfalls 39 Stunden wöchentlich.
Zudem haben die kommunalen Arbeitgeber die Möglichkeit, den Ärztinnen und Ärzten im ÖGD Zulagen von bis zu 1.000 Euro zu zahlen.
Welche weiteren Zulagen oder Zuschüsse kann ein Arzt/eine Ärztin im ÖGD erhalten?
Wie erwähnt, können die Kommunen von einer Arbeitsmarktzulage Gebrauch machen und die VKA-Fachkräfterichtlinie zur Personalgewinnung und -bindung anwenden. Damit können die kommunalen Arbeitgeber den Beschäftigten im ÖGD Zulagen von über 1.000 Euro zahlen. Die Kommunen zahlen eine außertarifliche Zulage nur dann, wenn sie sie für erforderlich halten, um eine Stelle zu besetzen oder Beschäftigte zu halten. Hier sind die Problemlagen sehr unterschiedlich. Ein Teil der Kommunen zahlt keine Zulage und kann die offenen Stellen trotzdem besetzen. Dabei ist zu beachten, dass eine Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst gegenüber einer Tätigkeit im Krankenhaus eine Reihe von Vorteilen hat, beispielsweise besseren Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie geregelte Arbeitszeiten.
Haben Ärzte im ÖGD einen Beamtenstatus oder sind sie in einem Angestelltenverhältnis?
Eine pauschale Antwort auf diese Frage verbietet sich vor dem Hintergrund, dass der ÖGD in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich organisiert ist. Die Bundesärztekammer gibt die Gesamtzahl der Ärztinnen und Ärzte im Bereich der Gesundheitsämter zum Stichtag 31. Dezember 2019 mit 2.561 an. In Baden-Württemberg und Bayern sind die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD in der Regel Landesbedienstete, sodass die dortigen Tarifbeschäftigten nach TV-L bezahlt werden, so sie nicht in einem Beamtenverhältnis stehen. Nach einer internen Erhebung zum ÖGD aus dem Jahre 2019 sind etwa 16 Prozent der in den Kommunen und Landkreisen beschäftigten Ärztinnen und Ärzte im ÖGD Beamte, wobei die Werte in den einzelnen Bundesländern heterogen sind.
Welchen finanziellen Unterschied macht es, ob man leitende:r Arzt/Ärztin eines Gesundheitsamtes ist oder ein:e „normale:r“ Mediziner:in im ÖGD?
Die Eingruppierung von Ärztinnen und Ärzten mit Personalverantwortung im ÖGD erfolgt in der Entgeltgruppe 15. Ärztinnen und Ärzte ohne Personalverantwortung werden, wenn sie keine Fachärztinnen und Fachärzte sind, in der Entgeltgruppe 14 eingruppiert. Je nach Erfahrungsstufe liegt der finanzielle Unterschied im Monatstabellenentgelt bei rund 500 Euro.
Wie sehen Sie generell die Bezahlung im ÖGD im Vergleich zu Verantwortung und Arbeitszeit?
Die Frage nach der Verantwortung geht meines Erachtens in eine falsche Richtung. Denn sowohl die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD als auch in den Krankenhäusern trifft eine hohe Verantwortung. Die Arbeitsbedingungen im ÖGD sind völlig andere als die eines Mediziners an einem Krankenhaus. Das kann man zum Beispiel an den geregelten Arbeitszeiten im ÖGD ablesen.
Glauben Sie, dass sich die Verdienstsituation im ÖGD in naher Zukunft verändert?
Die Bundesregierung scheint offensichtlich ein Interesse zu haben, die Vergütung im bestehenden System zu verbessern. Der Aspekt, dass im Rahmen der Tarifrunde 2020 eine Zulage für den ÖGD vereinbart wurde und außertarifliche Zulagen gezahlt werden können, wird in der öffentlichen Debatte immer wieder vergessen. Uns ist aber wichtig, dies ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Der Pakt für den ÖGD ändert unsere Haltung nicht. Eine Steigerung der Entgelte und anderer Vorzüge sind letztlich immer das Ergebnis von Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und zuständigen Gewerkschaften. Dass es den Sozialpartnern gelingt, die Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst attraktiv zu halten, kann man an den Ergebnissen der letzten Tarifrunde von 2020 deutlich erkennen.
Die Altersstruktur der im ÖGD beschäftigten Ärzt:innen führt dazu, dass viele Ärzt:innen aus Gesundheitsämtern in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig sind schon jetzt viele Stellen nicht besetzt. Was muss getan werden, damit mehr jüngere Ärzt:innen den Weg in den ÖGD finden?
Der öffentliche Dienst hat wie auch andere Branchen in Deutschland damit zu kämpfen, Fachkräfte zu finden. Das liegt vor allem an der demografischen Entwicklung. Gleichwohl sind einige Bereiche mehr betroffen als andere. Daher ist es unsere Aufgabe als kommunale Arbeitgeber, die Bedingungen für unsere Beschäftigten attraktiv zu halten. Dank einer im Gegensatz zur Privatwirtschaft vergleichsweise hohen Tarifbindung, können Beschäftigte in den verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes auf eine geregelte Arbeitszeit, eine faire Bezahlung und tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen zählen. Die Beschäftigten profitieren somit nicht nur von sicheren Einkommen, sondern auch von einer tarifvertraglich geregelten betrieblichen Altersversorgung.
Der Tarifabschluss 2020 für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst hält zahlreiche Aufwertungen parat: Neben der Erhöhung der Einkommen in den kommenden zwei Jahren um insgesamt 3,2 Prozent, wird die Arbeitszeit im Tarifgebiet Ost der im Tarifgebiet West angeglichen. Zugleich konnte die VKA ihre Forderung zur Entgeltumwandlung für Fahrräder und E-Bikes durchsetzen. Ich gehe fest davon aus, dass die getroffenen Vereinbarungen dazu beitragen, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes weiter zu erhöhen.
Die jüngst von uns erhobene Zahl der Beschäftigten im kommunalen öffentlichen Dienst ist zuletzt um fast 60.000 auf 2.361.290 Personen gestiegen – ein Zuwachs um 2,5 Prozent bei Beschäftigten und Auszubildenden seit Mai 2019, was uns sehr freut.
Ein flächendeckendes Rekrutierungsproblem gibt es im Bereich des ÖGD übrigens nicht. Wie erwähnt, hatten die Kommunen bereits vor der Vereinbarung einer Zulage für die Fachärzt:innen im ÖGD in der Tarifrunde 2020 die Möglichkeit, außertarifliche Zulagen für diese zu zahlen; zahlreiche Kommunen machten hiervon nicht Gebrauch, weil es keine Personalgewinnungsprobleme gab.
Uns fällt auf, dass es viele Gesundheitsämter gibt, in denen junge Ärzt:innen gar keine Weiterbildung zum Facharzt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst machen können, weil es vor Ort keinen Weiterbildungsbefugten mehr gibt. Sägt man sich damit nicht den Ast ab, auf dem man sitzt, wenn man nicht stark in die Weiterbildungsmöglichkeiten investiert?
Grundsätzlich befürwortet die VKA immer die Möglichkeiten einer Weiterbildung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Soweit es uns bekannt ist, bieten viele kommunale Arbeitgeber diese auch an. Wir können jedoch keine Aussage darüber treffen, inwiefern diese Möglichkeiten in den einzelnen Gesundheitsämtern bestehen, da uns keine entsprechenden Zahlen vorliegen. Letztlich können Beschäftigte jedoch mit ihrem Arbeitgeber Vereinbarungen darüber treffen, ob und inwiefern eine Weiterbildung an einer entsprechenden Aus- und Weiterbildungsstätte möglich ist und die Kosten übernommen werden.
Dr. Alexander Dietrich
Vorsitzender des Gruppenausschusses der VKA für Verwaltung (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA))
Berufsmäßiger Stadtrat – Personal- und Organisationsreferent
Landeshauptstadt München
Alexander Dietrich wurde am 24. Juli 1975 in München geboren und wuchs in Moosach auf. Dort lebt er auch heute noch mit seiner Frau Susanne. Nach dem Abitur am Wittelsbacher-Gymnasium studierte er Rechtswissenschaften an der LMU München. Im Anschluss an Referendariat und Promotion arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei. 2006 wechselte er als Staatsanwalt zur Staatsanwaltschaft München II. Ende 2009 wurde Dr. Dietrich zum Richter am Amtsgericht München ernannt und war dort für Mietsachen zuständig.Im Sommer 2010 nahm er das Angebot an, als Referatsleiter bei der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag zu arbeiten, wo er vor allem auch für den Öffentlichen Dienst zuständig war. 2013 kehrte er als Richter an das Amtsgericht München zurück.
Seine Aktivitäten in der Kommunalpolitik reichen bis ins Jahr 1994 zurück, damals zunächst als einfaches Mitglied im Bezirksausschuss Moosach, und seit 1996 auch als dessen stellvertretender Vorsitzender. Von Oktober 2013 bis Juni 2016 fungierte Dr. Dietrich als ehrenamtlicher Stadtrat der Landeshauptstadt.
Seit 1. Juli 2016 führt der promovierte Jurist als Referent und berufsmäßiger Stadtrat das Personal- und Organisationsreferat der Landeshauptstadt München. Als „Personalchef“ der größten Kommune Deutschlands ist er für 40.000 Beschäftigte in der Hoheitsverwaltung und in den Eigenbetrieben verantwortlich.
Den Vorsitz des Gruppenausschuss der VKA für Verwaltung übernahm Alexander Dietrich im September 2019.
Weitere Information zu der Bezahlung und den Tätigkeiten eines Arztes / einer Ärztin im ÖGD finden Sie hier.
Mehr Beiträge zum ÖGD unter: arztundkarriere.com/oeffentlicher-gesundheitsdienst