Im Kontext von Corona mit zunehmendem Personalmangel und überlasteten Ärzt:innen rückt die Weiterbildung zwangsläufig in den Hintergrund. Weiterzubildende bedürfen deshalb um so mehr verlässlicher Informationen, welche Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Weiterbildung zu stellen sind und wie es nach der Facharztanerkennung weitergeht. Ein Beitrag von Prof. Dr. habil. Wolfgang Hellmann.
Prioritäten setzen
Die Festlegung auf das spezielle Fachgebiet (beispielsweise Chirurgie) hat Priorität, es folgen dann die Auswahl des Trägers und des Krankenhauses. Der Fokus auf den Träger ist durchaus bedeutsam, da die Ziele unterschiedlicher Träger verschieden sind und mit den Vorstellungen eines Bewerbers nicht immer kompatibel sind (zum Beispiel: Profitorientierung bei privaten Betreibern).
Dem Betreuenden im Wunschkrankenhaus auf den Zahn fühlen
Ihre zentralen Ziele müssen eine exzellente medizinische Ausbildung und Arbeitszufriedenheit sein. Daraus ergibt sich ein umfassender Fragenkatalog.
Grundlegende Fragen zur Organisation und Betreuung:
- Umsetzung der Weiterbildung gemäß WBO der zuständigen Ärztekammer?
- Krankenhaus zur Durchführung der Weiterbildung anerkannt und zugelassen?
- Vorhandensein eines strukturierten Weiterbildungsplans?
- Ausbildende:r Arzt/Ärztin zur Weiterbildung ermächtigt und befugt?
- Durchführung der Weiterbildung in Voll- oder Teilzeit möglich?
- Rotationsvereinbarungen mit anderen Krankenhäusern?
- Möglichkeit der schriftlichen Vereinbarung der Weiterbildungsziele?
- Regelmäßige Feedbackgespräche?
- Realisierung der persönlichen Work-Life-Balance möglich?
Spezifische Fragen an den Betreuer:
- Ausreichendes Zeitvolumen für die Betreuung?
- Erfahrungen in der Betreuung von Weiterzubildenden?
- Kenntnisse zu zukunftsträchtigen medizinischen Entwicklungen und innovativen Management- und Versorgungsstrategien (beispielsweise Kundenorientierung, Nachhaltigkeit, Integrierte Versorgung)?
- Kenntnisse zur Digitalisierung: Elektronische Patientenakte, Apps für Patienten (Gesundheit) und Personal (Kompensation des Personalmangels)?
- Kenntnisse zu KI und Möglichkeiten der Telemedizin, auch im Hinblick auf die Unterstützung kleiner Krankenhäuser durch Universitätskliniken?
Einholung von Informationen bei Dritten
Scheuen Sie sich nicht, Informationen bei Dritten einzuholen. Gemeint sind hier: Kolleg:innen, die in der Abteilung eine Weiterbildung absolviert haben und inzwischen als Fachärzt:innen in der Klinik oder auch anderweitig tätig sind, aber auch Medizinstudierende im Praktischen Jahr. Zielführend ist ebenfalls die Einholung von Informationen bei andren Berufsgruppen (Pflege, Verwaltung, Controlling), beispielsweise in Bezug auf die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Betreuer.
Merke!
Überlassen Sie nichts dem Zufall, fragen Sie „auf Teufel komm raus“. Denn eine gute Weiterbildung mit exzellenter Betreuung und Orientierung, auch zu neuen Technologien und innovativen Versorgungskonstellationen, ist ein entscheidendes Fundament für Ihre Karriere in der Medizin.
Lehrkompetenz, Innovationfähigkeit und Managementqualifikationen des Betreuers sind Erfolgsfaktoren für gute Weiterbildung
Ein zentrales Defizit von Weiterbildung ist häufig mangelnde Lehrkompetenz der Betreuer. Meist fachlich gut aufgestellt, fehlt oft die methodisch-didaktische Qualifikation, also die Fähigkeit adressatengerecht „Unterrichtsinhalte“ auswählen und aufbereiten zu können. Nicht immer besteht Bereitschaft, sich mit neuen Konzepten zu Versorgungsformen oder zum Management auseinanderzusetzen. Das Vorhandensein von Managementkompetenzen bei dem Betreuer dürfte für eine erfolgreiche Betreuung von Vorteil sein.
Praxistipp
Fragen Sie intensiv nach, ob Fortbildungen zum Management und zur Aneignung von Lehrkompetenz absolviert worden sind. Während erstere breit angeboten werden, ist das Angebot zu Fragen der Lehrkompetenz rar. Offeriert wird aber zum Beispiel von Bundesverband Deutscher Chirurgen (BDC) eine Fortbildung für Betreuer in der Weiterbildung. Sofern Ihr Betreuer daran teilgenommen hat, dürfte sich dies für Sie auszahlen. Ähnliches gilt für Kenntnisse des Betreuers zu innovativen Management- und Versorgungskonzepten. Denn Sie wollen ja sicher nicht ein Arzt mit „nur“ medizinischer Expertise werden, sondern auch in der Lage sein, sich mit Ihrer Geschäftsführung auf „gleicher Augenhöhe“ auszutauschen, indem Sie in enger Zusammenarbeit gemeinsam Management und Versorgung gestalten. Berücksichtigen Sie bitte ebenfalls: Eine Habilitation des Betreuers ist keinesfalls ein Beleg für Lehrkompetenz. Im Rahmen dieses Verfahrens wird die Fähigkeit zu einer methodisch-didaktischen hochwertigen Lehre nicht geprüft!
Merke!
Eine effiziente und qualitativ hochwertige Patientenversorgung muss Ihr zentrales Anliegen sein. Die Erreichung dieses Ziel wird durch gutes Management (wie besonders Beispiele aus der Herzchirurgie zeigen) begünstigt.
Worauf Sie außerdem achten sollten
- Planungssicherheit anstreben, die Zusage zur Weiterbildung muss schriftlich erfolgen!
- Besondere Vorsicht beim Arbeitsvertrag (viele „Fallstricke“)!
- Die Vorbeugung von möglichen Problemen mit dem Arbeitgeber in der Schwangerschaft!
- Gute Dokumentation anstreben (fundamental für die Anerkennung der Weiterbildung). Erzielen Sie Übereinstimmung mit Ihrem Betreuer, was wie dokumentiert werden muss. Sie vermeiden dadurch auch Konflikte.
Berufliche Perspektiven nach Facharztabschluss
Folgende Möglichkeiten beruflicher Tätigkeit mit Tätigkeit in der praktischen Patientenversorgung bieten sich an:
- Dauerhafte Tätigkeit als Fach- oder Oberarzt /-ärztin
Die Berufsaussichten sind derzeit noch gut. Zu berücksichtigen ist, dass Krankenhäuser aufgrund schlechter Rahmenbedingungen mit Personalmangel und Unterfinanzierung zunehmend in die Insolvenz geraten und zugunsten der politisch gewollten Stärkung der ambulanten Versorgung (auch im Kontext der „Strukturbereinigung“ des Krankenhausmarktes) in nicht unerheblicher Zahl dem Versorgermarkt entzogen werden. Auch anderes ausgedrückt: Stellenangebote für Fach-, Ober- und Chefärzt:innen werden sich zukünftig voraussichtlich verringern. - Fokussierung auf eine Chefarztstelle im Kontext der Habilitation
Der Weg ist (auch bedingt durch die Habilitation) zeitraubend und aufwändig. Bedingt durch die derzeitigen und sicher noch länger anhaltenden schlechten Arbeitsbedingungen, erscheinen Chefarztpositionen nicht mehr attraktiv. Oberärzte verdienen nicht erheblich weniger und haben weniger Verantwortung. Insofern wundert es nicht, dass zunehmend Chefärzte ihre Stellen aufgeben und auf Oberarztstellen „zurückgehen“. - Niederlassung als Vertragsarzt / -ärztin
Im Kontext der Bemühungen, den ambulanten Bereich zu stärken, ist die Tätigkeit als Vertragsarzt/-ärztin zunehmend attraktiv, beispielsweise im Kontext der Übernahme einer etablierten Arztpraxis in Ballungsgebieten nach Ausscheiden des ursprünglichen Praxisinhabers aus Altersgründen.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Wettbewerb durch die Übernahme von Arztpraxen und die massive Fokussierung auf das Betreiben und die Übernahme von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch private Investoren sich explosionsartig intensiviert. Hinzu kommt, dass Krankenhäuser (nach einer abfallenden Phase) wieder zunehmend MVZ (in Trägerschaft des Krankenhauses) betreiben. Somit ist es schwierig abzuschätzen, wie sich die Zukunft niedergelassener Ärzte, vor allem solcher mit Einzelpraxen, entwickeln wird. - Angestellte:r Arzt/Ärztin in einem Medizinischen Versorgungszentrum
Diese Möglichkeit wird von den jungen Ärztegenerationen zunehmend geschätzt, da sie Kompatibilität zwischen Beruf, Familie und Freizeit ermöglicht. Eine angemessene Work-Life-Balance kann so gesichert werden. Konkret beinhaltet dies vor allem geregelte Arbeitszeiten und geringere Verantwortung als in einer Einzelpraxis oder als Leitende:r Arzt/Ärztin in der Fachabteilung eines Krankenhauses. Darüber hinaus bieten sich weitere Berufsmöglichkeiten ohne direkten Bezug zur praktischen Patientenversorgung im Krankenhaus an: Klinikmanager:in, Arzt/Ärztin im Controlling oder Qualitätsmanagement. Möglich ist auch eine Tätigkeit als angestellte:r Arzt/Ärztin beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung und in weiteren Berufsfeldern (Pharmaindustrie, Medizintechnik, Beratungsunternehmen, Versicherungswesen, Medizinjournalismus).
Der Autor Prof. Dr. habil. Wolfgang Hellmann ist Gründer des Studienmodells Hannover für Berufe im Gesundheitswesen, der Akademie für Management im Gesundheitswesen e.V. und Leiter des Studienprogramms MHM® (Medical Hospital Management) für ärztliche Führungskräfte mit erfolgter Umsetzung an den Hochschulen Hannover, Neu-Ulm und Osnabrück. Arbeitsschwerpunkte: Krankenhausmanagement, Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Regionen, Förderung des ärztlichen Nachwuchses und Patientensicherheit.
Weitere Ratgeber zum Thema fachärztliche Weiterbildung finden Sie in unserem Themenschwerpunkt Studium & Berufseinstieg