Dass in der Medizin ein Fachärztemangel herrscht ist kein Geheimnis, auch in der Pathologie steigt das Durchschnittsalter immer stärker an. Dr. med. Katrin Schierle stellt uns ihren Bereich vor und warum er für die fachliche Weiterbildung so interessant ist. Sie ist Oberärztin am Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Leipzig, Vorstandsmitglied im Bundesverband Deutscher Pathologen e.V. und Leiterin dessen Arbeitsgemeinschaft Junge PathologInnen.
Die Wahl der Weiterbildung ist ein wichtiges Thema. Warum sollte man Ihrer Meinung nach in die Pathologie gehen?
Das Wichtigste ist, Spaß an Rätseln zu haben. Wir sind Krankheitsversteher, die sich mit allen Körperregionen beschäftigen. Wenn man sich nicht auf ein einzelnes Organsystem konzentrieren möchte, sondern das gesamte Krankheitsgeschehen im Blick haben will, ist die Pathologie das richtige Fach. Patholog:innen sind vor allem auch die Berater von Ärzt:innen aller anderer Fachrichtungen.
Gibt es Kompetenzen, die in Ihrem Berufsfeld besonders wichtig sind?
Auch wenn Sie es nicht glauben wollen, aber als Patholog:in ist es besonders wichtig, gut zu kommunizieren. Zum Beispiel sind wir fester Bestandteil sämtlicher Tumorbesprechungen von onkologischen Patient:innen und hier Wegweiser in der Therapie. Hier ist gute Kommunikation das A und O. Es hilft natürlich auch, wenn ein bisschen Talent für Mustererkennung vorhanden ist.
Wie stark schätzen Sie den Nachwuchsbedarf in dem Fachgebiet ein?
Jetzt und für die kommenden Jahre haben wir einen hohen Nachwuchsbedarf. Die Pathologie ist ein Fachgebiet, in dem die Aufgaben in Zukunft eher mehr als weniger werden. Beispielsweise werden Krebstherapien immer präziser und personalisierter und auf den einzelnen Patient:innen zugeschnitten. Das erfordert auch eine aufwändigere Diagnostik von Seiten der Pathologie. Und ohne Präzisionspathologie gibt es keine Präzisionsmedizin.
Wie findet man die richtige Weiterbildungsstätte für sich und worauf muss man achten?
Zuerst muss man sich überlegen, welcher Anspruch an die Weiterbildungsstätte und den Weiterbildungsbefugten, gestellt wird. Hier ist die Pathologie sehr vielseitig, da die Weiterbildung sowohl in einer Praxis als auch am Krankenhaus oder einer Universitätspathologie stattfinden kann. Wenn ich eher neben meiner Weiterbildung forschen möchte und vielleicht auch schon eine experimentelle Doktorarbeit abgeschlossen habe – und mir das Spaß macht – würde ich eher an eine Universität gehen. Die Weiterbildung in einer Krankenhauspathologie oder in der Niederlassung ist eine gute Option, wenn ich eher einen diagnostischen Fokus habe. Wichtig ist noch, dass auf die Länge der Weiterbildungsermächtigung geachtet wird. Bei einer vollen Weiterbildungsermächtigung ist es möglich, bis zum Facharzt an dieser Weiterbildungsstätte zu bleiben – ist sie nicht über die gesamte Weiterbildung vorhanden, muss bis zum Facharzt noch einmal die Stelle gewechselt werden.
Mit welchen Themen beschäftigt sich die Forschung momentan in der Pathologie?
Die aktuelle Forschung in unserem Fachgebiet beschäftigt sich normalerweise mit Grundlagen in der Krankheitsentstehung oder mit neuen diagnostischen Verfahren. Hier kommen sehr moderne Methoden mit DNA- und RNA-Analysen oder Proteomanalysen zum Einsatz. Das Feld eröffnet sich durch die individualisierten Therapien immer weiter. Die KI hält auch in die Pathologie Einzug. Wir verwenden sie in erster Linie als Hilfsmittel um mehr Präzision in der Diagnosestellung zu erreichen. Dabei wird sie nicht als Arztersatz, sondern als Bereicherung unserer Arbeit empfunden.
Die Work-Life-Balance ist für viele enorm wichtig. Wie steht es darum in Ihrem Gebiet und gibt es Teilzeitmodelle?
Da Patholog:innen klar geregelte Arbeitszeiten ohne Nacht- oder Wochenenddienst haben, ist auch die Freizeit in einem großen Maße planbar. Teilzeitmodelle sind in unserem Fachgebiet sehr unproblematisch umzusetzen und auch außerhalb der Elternzeit häufig. Zu bedenken ist, dass sich durch ein Teilzeitmodell die Weiterbildungszeit verlängert – das muss dann in Kauf genommen werden. Das betrifft aber nicht nur die Pathologie sondern alle Fachgebiete. In der Pathologie ist es völlig normal, dass sowohl Mütter als auch Väter die Möglichkeit haben, in Elternzeit gehen können.
„Pathologen sind keine Rechtsmediziner!“
Kann man als Patholog:in eine Praxis eröffnen oder übernehmen?
In der Pathologie gibt es sehr viele Möglichkeiten, sich selbständig zu machen. Am einfachsten ist es, wenn eine bestehende Praxis übernommen wird. Leider unterliegen auch wir der Bedarfsplanung, sodass es manchmal nicht ganz einfach ist, an einen Sitz zu kommen. Durch das steigende Durchschnittsalter der Patholog:innen sind inzwischen alle interessiert, nach der Assoziation die Praxis in jüngere Hände zu geben.
Wie hoch ist der Nachwuchsbedarf in Krankenhäusern in Ihrem Fachbereich zurzeit?
Es herrscht immer Bedarf an Nachwuchs. Vor allem durch den steigenden Bedarf einer immer differenzierteren onkologischen Diagnostik, durch den sich die Arbeit noch mehr in diese Richtung verlagern wird. Das richtet natürlich einen hohen diagnostischen Anspruch an unser Fachgebiet, vor dem man aber keine Angst haben muss. Die Stärke der Pathologie liegt in der Kommunikation, vor allem auch in der Kommunikation der Patholog:innen untereinander.
Gibt es die Möglichkeit sich weiter zu spezialisieren oder muss man in allen Bereichen Experte sein?
Der Anspruch an einen Facharztkandidaten „alles“ können zu müssen, wirkt fast erschlagend. Wichtig ist, dass alle Teile der Pathologie von Obduktion bis Molekularpathologie einmal gesehen und gelernt werden. Nach der Facharztprüfung ist es möglich, sich mehr auf ein spezielles Gebiet zu konzentrieren. Das kann ein Organsystem sein, wie zum Beispiel in der Hämatopathologie. Das hängt auch ein wenig von der persönlichen Präferenz ab. Meist werden innerhalb einer Spezialisierung auf ein Organsystem alle diagnostischen Methoden der Pathologie genutzt, also auch die Zytologie und Molekularpathologie.
Welche Fragestellungen werden gerade besonders intensiv thematisiert?
Viel diskutiert sind aktuell natürlich die Obduktionen im Rahmen von Covid-19-Fällen. Hier konnte die Pathologie durch die Obduktionsbefunde wichtige Hinweise für die klinischen Kolleg:innen geben. Als weiterer Punkt werden aktuell die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von KI heiß diskutiert. Mögliche neue Krebstherapien und die Diagnostik dazu sind bei uns ein dauerhaftes Thema, das mal mehr und mal weniger in den Vordergrund rückt.
Welche falschen Annahmen über die Pathologie würden Sie gerne korrigieren?
Derjenige, der im Krimi zum Tatort gerufen wird, ist ein:e Rechtsmediziner:in! Wir führen klinische Obduktionen durch. Sie haben nichts mit einer Obduktion in der Rechtsmedizin zu tun. Der Facharzt für Pathologie und der Facharzt für Rechtsmedizin sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Und übrigens: Wenn wir Obduzieren, essen wir dabei kein Wurstbrot!
Wie sieht die Nachwuchsförderung in Ihrem Fachbereich aus?
Unterstützung und Mentoring läuft bei uns eher auf lokaler Ebene und ist nicht so sehr institutionalisiert. Häufig sind vor allem wissenschaftlich tätige Patholog:innen von Anfang an gut vernetzt, was durch die Verbände und wissenschaftlichen Gesellschaften auch gezielt unterstützt wird. Wir bieten auch gezielte Fortbildungsformate und Workshops für junge Patholog:innen an. Es gibt nicht so viele Patholog:innen, dadurch kennen sich die meisten untereinander und die Förderung kann sehr individuell sein.
Dr. med. Katrin Schierle, Jahrgang 1977, ist seit 2006 am Institut für Pathologie des Universitätsklinikums tätig, ab 2014 als Oberärztin. Seit 2013 ist sie Mitglied des Vorstandes des Bundesverbandes Deutscher Pathologen e.V. und hat hier einen Schwerpunkt mit der Arbeit für junge Patholog:innen.
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